Sunday, November 12

6:00 - Es ist Sonntagmorgen



Während ich hier sitze und meine Gedanken zu den vergangenen Tagen bündele sitzt Thomas bereits seit einer halben Stunde auf dem Fahrrad und dreht seine 60km Runde. Ja Ihr lest richtig, andere liegen um diese Zeit noch im Bett und kuscheln sich ein, wollen den Tag mit einem langsamen Aufwachen beginnen. Ich habe darüber geschrieben, dass der Tag hier wesentlich früher beginnt, so auch eben der Sonntag. Mich hält nichts mehr im Bett; die Sonne macht sich mit ihrer Helligkeit gnadenlos breit und holt auch den letzten Morgenmuffel recht früh aus seinen Federn.

Als ich aufgestanden bin, sind wahrscheinlich einige von Euch noch nicht mal zu Bett gegangen, genießen noch das Nachtleben oder das Fernsehprogramm, trinken Wein und wärmen sich an der Heizung. Dennoch kann ich zum Quatschen Niemanden im Skype-Universum finden, so dass ich mich nun alleine beschäftigen muss.

Heute hat der Tag begonnen, der meine erste Woche in Perth voll macht. In ca. 12 Stunden bin ich vor einer Woche hier gelandet und wurde herzlich empfangen. Die letzten Tage hat es teilweise hier geregnet und es hatte den Anschein, als würde das Wetter nun das neue Leben symbolisieren. Natürlich ist diese Wetterunbeständigkeit häufig mit meiner Ankunft in Beziehung gesetzt worden, wenn auch nur scherzhaft.

Ich komme mir vor wie auf einem Meer, das sich vor Wellengang nicht retten kann und selten für ruhiges Fahrwasser sorgt. Es geht hoch und runter. Seit Montag habe ich ein flaues Gefühl im Magen, das sich über das Symptom „mir ist schlecht“ bemerkbar macht. Ich bin außer der Umschreibung meiner Situation immer noch nicht in der Lage, mein emotionales Befinden treffsicher zu beschreiben. Ich habe den Eindruck, dass ich alles runterschlucke an Erlebtem. Deshalb ist mir wohl auch ab und an wirklich schlecht, irgendwann will das viele „Essen“ auch mal wieder raus, wenn es nicht in überschaubaren Häppchen konsumiert wurde.

In dieser ersten Woche habe ich so viele Menschen kennen gelernt wie lange nicht mehr. Nicht mal im beruflichen Kontext musste ich mich in letzter Zeit auf so viele neue Individuen einstellen. Das ist wohl der Situation hier geschuldet; die Sozialkontakte, die Thomas sich mühsam erarbeitet hat sollen ja nicht mit meiner Ankunft und meinem Dasein hier verschwinden. Sie sind wichtig, um sozial integriert zu sein. Schwierig für mich dabei ist, dass ich nicht wirklich eine Wahl habe, an Treffen teilzunehmen oder gar nicht hinzugehen und Thomas zu begleiten. Was wäre das für ein Anfang. Ich hoffe, dass ich mit der Zeit zu meinem gewohnten Umgang mit der Einteilung meiner freien Zeit finden werde.

Ich bin sehr herzlich in den Kreis der Eingeweihten aufgenommen worden. Zum Teil haben die Frauen von Arbeitskollegen von Thomas angeboten, sich mit mir die Zeit zu vertreiben. Das beeindruckt mich; zeigt es doch, dass sie sich ein Stück hineinversetzen in meine Situation. Aufgrund der vielen Unternehmungen hatte ich kaum Zeit mal in mein Inneres zu horchen. Ich bin noch nicht hinterher gekommen, so schnell folgen hier die Ereignisse aufeinander. Irgendwann werde ich diese Starterfahrung als gut bewerten, da ich reichlich abgelenkt wurde. Das heisst auch, dass die Phase der Verarbeitung noch folgt. Ich bin unruhig gespannt darauf, komme mir vor wie in einem Dämmerzustand, der nicht garantieren kann wie man sich in der nächsten Sekunde verhält.

Definitiv fehlt mir eine vertraute Person, der ich mich anvertrauen kann, mit der ich ablästern kann, die mich versteht, die mir keine Ratschläge gibt, mein Empfinden bzw. meine Äußerungen wertet oder gar versucht mich aufmuntern.

Und nachdem ich nun die aktuellen Beiträge veröffentlichte habe, schwinge auch ichmich aufs Rad und begebe mich auf eine sportliche Morgenreise zum Meer und zurück.

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