Wednesday, July 15

Innere Rollen

Ein Monat ist vergangen. Ich frage mich, was alles passiert ist in dieser kurzen Zeit und habe Schwierigkeiten, dass alles aus dem Gedächtnis abzurufen. Immer häufiger muss ich an den Ausspruch denken "Wenn Du das nächste Mal unter der Dusche bist, dann checke, ob Du wirklich drin bist". Was bedeutet, dass ich durch den Alltag husche und mir immer wieder bewusst machen muss, im Hier und Jetzt zu sein und nicht ins Gestern oder Morgen zu rutschen, oder den nächsten Moment bereits im Kopf zu simulieren. So spielt mein Hirn täglich Streiche und ab und an gelingt es mir wenigstens, mich dabei zu ertappen.

Der Winter fordert seinen kältetechnischen Tribut und hat auch nicht mehr viel mit gefühlter, sondern tatsächlicher "Untertemperatur" zu tun. Morgens und Abends ist es dem Gefrierpunkt nahe, und wenn ich nicht wüsste, dass es hier nicht schneit, würde ich darauf warten. Der See im Park hat sich mit Wasser gefüllt und das Schwan- sowie Entenleben kehrt zurück in den normalen Kreislauf der Dinge. Es ist wunderschön mit anzusehen, wie der See zum Leben erwacht und mit ihm das Drum herum sich in bunten Farben erhebt.

An der Uni kommen und gehen unsere Klienten mit ihren Sorgen, die manchmal so ähnlich zu meinen sind, aber manchmal so fern von jedweder Vorstellung liegen, dass es schwer fällt, relativ wertlos ihren Geschichten zu zu hören. Eine neue Klientin berichtete von ihrer Internetsucht und davon, wie sie versucht, den Kulturschock zu meistern, den sie erlebt hat. Nach 5 Jahren Internat in Malaysia ist sie nach Perth gezogen und war mit allen offenen Toren und Kanälen konfrontiert. Kein Drill mehr, keine Eltern, Musik, Ipod, Fernsehen, Essen und Internet ohne Limit. Es fällt kaum schwer, nachzuvollziehen, was das für sie bedeutet. Sie ist zierlich, scheu und beschämt, zum ersten Mal ihren Gefühlen Worte zu geben und über sich zu sprechen.

Die Konflikte und Mediationen bestimmen mindestens einmal wöchentlich meinen Arbeitsalltag. Zum ersten Mal bin ich selbst in einen Konflikt involviert, der kurz davor stand mediiert zu werden. Meine Konfliktpartnerin, die ihre Befindlichkeiten über mich an unser Management weiter geleitet hat, zog dann ihre Beschwerde auf einmal zurück. So stehe ich im Regen und beobachte meine ganz eigenen Gefühle, Erinnnerungen, die aufkommen bezüglich früherer Zeiten, und die kalte Ausweitung dessen im Kollegium. Ich habe zu tun, mich nicht von dem Sinn der Ungerechtigkeit und Feigheit dominieren zu lassen. Es ist eine gute Erfahrung, die ich bei Mediationen zwischen anderen nutzen kann. Ich weiß, wie es sich anfühlt, über Dritte mit etwas konfrontiert zu werden, aber nicht wirklich zu wissen, worum es eigentlich geht. Sowie das Aushalten, dass die Person nicht kommt und den Mut hat, aufzuklären. So etwas nennt man passiv-aggressiv. Ich weiß nur zu gut, wie das alles funktioniert und läuft. Und ich weiß auch, wie so etwas enden kann. Ich überlege, was ich mit dieser Situation außerdem anfangen will. So plane ich, diese Person anzusprechen, um ihr die Möglichkeit der Klärung zu geben. Sie hat Glück, dass sie gerade im Urlaub ist. Irgendwie alles sehr geschickt eingefädelt, wenn ich meinen bösen Gedanken freien Lauf gebe. Gut ist, dass ich Zeit habe, um zu überlegen, wie ich das angehen will, wenn sie zurück ist. Die Revoltierende in mir würde am liebsten laut sein und ihren Ärger freien Lauf lassen. Die Ruhige in mir, bringt Gelassenheit und Zeit zum denken. Die Gerechte in mir will für Klarstellung sorgen und ihre Seite der Dinge schildern. Die Vermeidene in mir will alles ignorieren und gar nichts sagen. Die Harmonische in mir will einfach nur gemocht werden. Der Teamer in mir will ein Flussdiagram entwickeln für zukünftige Ablaufstrukturen für den Umgang mit Konflikten im Team. Der Mediator in mir will hören, was die andere Seite zu sagen hat und verstehen, welchen Effekt das auf diejenige Person hat. Das Kind in mir will einfach nur aufstampfen. Die Professionelle in mir gibt zu bedenken, dass es mehr gibt als das was offensichtlich ist. Und und und. Ich merke gerade, dass das Schreiben und aufschlüsseln in meine inneren Rollen unglaublich hilfreich ist. Ich werde diesem Ansatz nachgehen und versuchen, dass als Ansatz in Mediationen einzubinden.

Soviel zur Arbeit. Freizeittechnisch flattern beinahe wöchentlich diverse Tickets zu Konzerten ein, die wir alle dieses jahr noch besuchen wollen. Immer etwas, auf das wir uns freuen können. Die Vorbereitungen auf die Deutschlandreise bekommen ebenfalls immer mehr Raum. Es sind einige Dinge zu planen und zu bedenken.