Thursday, November 20

A Quantum of Solace

Des einen Glück ist des anderen Leid. Wie oft trifft dieser Spruch genau einige unserer Lebenssituationen?

Seit August habe ich mit dem ständigen Begleiter DRUCK jeden Tag, jede Minute und jede Nacht geteilt. Seit dem bekannt gegeben wurde, dass mein Arbeitgeber zwei unbefristete Vollzeitstellen anbietet. Mein Vertrag geht nur bis Ende des Jahres und die drei weiterer Kolleginnen auch. Kein Wunder, dass wir uns darauf gestürzt haben und uns für diesen heiß begehrten Job beworben haben.

Von August bis November war dann immer nur die Rede von den Ausschreibungen und das Gerücht, dass eine dieser Stellen mit einem Mann besetzt werden soll. Wir vier Frauen wußten, was auf uns zu kommt. Nur eine wird diese Stelle bekommen.

Im November endlich die Ausschreibung, auf die sich dann nicht vier von uns beworben haben sondern nur drei inclusive meinerselbst. Die Uni ist eine riesen Maschineri und hat damit auch einen Bewerbungsprozess installiert, der weit über das normale Maß hinaus geht.

Zunächst erst einmal die schriftliche Bewerbung, die ein Anschreiben, einen Lebenslauf und Auswahlkriterien enthalten muss. Die Auswahlkriterien sind 14 Punkte, zu denen jeder Bewerber was schreiben sollte und das möglichst so klar und beweisnah wie möglich. 20 Seiten sind es letztendlich bei mir geworden. Eine kleine Hausarbeit. Sonst nichts.

Bis zum letzten Moment habe ich geschrieben wie ein Weltmeister. Es dreimal gegen lesen lassen und drei Tage vor Bewerbungsende abgegeben. Fertig. Und dann warten.

3 Tage später nach dem offiziellen Bewerbungsende gab es die Einladung zum Interview. Wir drei Mädels bekamen einen Chance in 30 Minuten einem sich aus 5 Personen zusammen gesetzten Gremium zu stellen und alle Fragen bestmöglichst zu beantworten. Das Interview hat in der Entscheidung den entscheidenen Anteil.

Die Einladung kam drei Tage vor dem Interview. Das Wochenende dazwischen habe ich gegrübelt, was die wohl alles fragen und meine Bewerbungsunterlagen zigmal durch gelesen.

Die emotionale Hintergrundbelastung läßt sich kaum beschreiben. Eine Mitbewerberin war immerhin meine Supervisorin für die ersten 6 Monate, die ich am Anfang da war. Sie hat den gleichen Service zuvor an einer anderen Uni geleitet. Ein eloquente und sehr erfahrene Frau. Sie ist Deutsche. Wie ich. Sie ist seit 18 Jahren in Australien und muss sich, wie alle, diesem Verfahren stellen, wenn sie bleiben will. Wir simulieren das worst case scenario, immer dann wenn wir uns sehen. Wir drei sprechen seit Oktober von nichts anderem mehr. Und mit jedem Tag stieg die Angst, die Stelle nicht zu bekommen. Die Kollegen sind ratlos und meiden eher dieses unangenehme Thema.

Mit uns haben sich 14 weitere Personen von außerhalb beworben. Doch nur wir drei sind schlussendlich interviewt worden. Das haben wir dann aber auch erst wirklich am Tag der Gespräche begriffen. Und damit hieß es dann, das zwei von uns einen Job bekommen. Denn männliche Bewerber gab es ja nicht!

Ein Botschaft erreichte uns kurz vor dem Drama. Es würde für das nächste Jahr eine Teilzeitstelle befristet werden. Und damit waren wir sicher, dass wir alle drei bleiben. Wenn auch einer eben nicht diese Festanstellung bekommt. Ein schwacher Trost. Wir rätselten, ob wir dieses Angebot annehmen würden. Für eine feste unbefristete Stelle nicht gut genug, aber für eine befristete Teilzeitstelle dann doch. Ein müßiges Unterfangen. Wir alle spielen eine Karte.

Aufgeregt wie lange nicht habe ich die letzten beiden Tage vor dem Interview unansprechbar in meinem Zuhause verbracht. Froh, wenn Thomas nicht da war und keiner anrief, um Glück zu wünschen etc.

Der Morgen des Geschehens. In aller Ruhe wache ich auf. Ich habe Urlaub genommen. Und habe noch Zeit, mich in Ruhe fertig zu machen, ein bißchen zu meditieren und mich einzustimmen. Und plötzlich finde ich mich auf dem Campus wieder. Der Countdown läuft und jeder Schritt vom Parkplatz bringt mich eine Sekunde näher.

Ich sitze im Warteraum und warte darauf, dass ich abgeholt werde. 5 Minuten später blicke ich die Augen von fünf wichtigen Leuten, die über mein kleines Dasein und Schicksal entscheiden sollen. Absurd.

In einer wirklich sehr professionell gestalteten Atmosphäre mit acht gestellten Fragen habe ich mich plötzlich absolut ruhig und entspannt gefüllt. Jede Antwort brachte mich dem Ende dieser 30 Minuten näher. So schnell wie es begann, war es dann auch wieder vorüber.

Zwei Stunden danach habe ich überlegt, was ich alles nicht gesagt habe und dass ich mich definitv unter Wert verkauft habe. Egal, ich beschließe aufzuhören. Das Rauschen der Wellen am Strand hat dankbar alle meine Sorgen aufgenommen und weg gespült. Jetzt konnte ich nichts mehr tun.
Außer warten.

Schon am selben Nachmittag schickte mir eine meiner Referenzpersonen ihre Referenz. Das Gremium hat alle vier von meinen Referenzen angeschrieben und um einen Report zu 5 oder 6 Fragen gebeten.

Mittwoch, kurz vor dem Mittag. Mein Chef kommt. Er sieht ernst und auch müde aus. Er schließt die Tür und bittet mich zu setzen. Und dann sagt er mir, dass ich die Stelle habe. Er bittet mich noch um Stillschweigen, denn die anderen beiden wissen noch nichts. Und er sagt mir auch nicht, wer es nicht gemacht hat. Ich frage auch nicht danach.

4 Stunden später fällt die Bürotür meiner lieben und wertgeschätzten Kollegin zu. Und da wusste ich, dass sie den Job nicht hat. 1 Minute später kam eine Mail von ihr und sie gratulierte zur Stelle und machte klar, dass sie jetzt niemanden sehen will.

Als ihre Tür kurz vor ihrem Feierabend angelehnt war, bin ich rein und habe sie umarmt. Was kann man mehr tun und sagen, dass es einem leid tun. Eine unmögliche emotional belastende Situation. Sie hat Tränen in den Augen. Bis hierher glaube ich immer noch, dass sie wenigsten den Teilzeitjob bekommt.

Ihre Worte treffen hart und sind schockierend. Dieses Stelle wurde mal eben so an einen ehemaligen männlichen Kollegen vergeben. Damit war klar, dass sie ab 20. Dezember arbeitslos ist und nicht mehr meine Kollegin sein wird.

Wie kann ich mich freuen, wenn ich weiß, dass sie leidet? Ich versuche, dass nicht zu vermischen. Und dennoch ist es eine Erfahrung, die ich nicht noch einmal machen muss. Und es ist noch lange nicht zu Ende.
YES
I
can
!!!!

Wednesday, November 5

Zwei Jahre Australien

Ich habe sie voll gemacht mit meiner Anwesenheit. Es kommt mir länger vor, sicher bedingt durch die vielen Umschwünge, Ereignisse, intensiven Erlebnisse, den Alltag, die täglichen Herausforderungen, das Umgehen mit dem Wissen der Ferne von der Heimat und meiner Familie.

Sie waren alle, fast alle!, da. Thomas Bruder und Familie zu Beginn des Jahres. Meine Eltern in der Mitte, als die Natur im Umschwung war und sich langsam den Frühling näherte. Thomas Eltern, als alles in Blüte stand. Wie haben eine wundervolle Zeit miteinander verbracht. Und wir haben uns gefreut, über das Interessiertsein unserer Liebsten an unserem Leben hier. Wir schätzen, dass sie sich die Mühe gemacht und lange strapaziöse Flüge auf sich genommen haben. Nur, um wenigstens einmal hier zu sein.

Ich befinde mich mitten im Bewerbungsprozess für meine neue alte Stelle. Wieder einmal entdecke ich den Zwang, alles perfekt zu machen. Ich will diesen Job und keine Kompromisse mehr. In knapp vier Wochen werde ich sehen, ob das gereicht hat.

Unsere Tomaten im Garten werden langsam rot und wachsen. Der Rasen hat seine grüne Farbe fast wieder erlangt, nach dem vielen Regen. Der See in der Nähe ist immer noch voll. Und die Elstern treiben bis auf Weiteres ihr Unwesen. Die Abende sind länger hell, denn wir haben die Zeit umgestellt.

In Amerika gibt es eine kleine Revolution. Ein Farbiger wird Präsident. Die Welt ist in Aufruhr und treibt Menschen in noch tiefere finanzielle Sorgen.

Das einzig verlässliche ist die Zeit. Sie geht immer noch genauso schnell oder langsam und hält ihren Rhythmus. Sie ist die einzige Quelle, die kontinuierlich Struktur gibt, ohne das wir uns darum auch noch sorgen müssten.

Down South

im Süden von Perth, ca. 300 km entfernt. Es war mal wieder so weit. Das Anaconda Race war auf Thomas' plan und ich habe das genutzt, um mein Zweijähriges gebührend zu genießen.

Ich höre noch Thomas' Anruf vor zwei Jahren und seine Begeisterung klingt mir heute in den Ohren, so als ob es gerade geschehen ist. Seine Aufregung, seine Begeisterung - vom Race und von dieser herrlichen Gegend, die auch bald meine neue Heimat sein sollte.

Geschichte - meine ganz persönliche - schreibe ich jeden Tag. Manchmal kleben Erinnerungen fest in meinen Gedanken, ohne das ich sie aufschreiben muss. Und manchmal kreiere ich meinen Alltag, meinen ganz besonderen. Jeder Tag ist ein Geschenk, dass ich nicht mehr auspacke, weil ich daran gewöhnt bin. Aber wenn ich es dann doch mal hin und wieder zelebriere, dann freue ich mich wie ein Kind und kann nicht aufhören, zu erleben.

So geschehen an diesem wunderbaren Wochenende im Süden, dass nicht nur ein tolles Teamevent geboten und mir einen kräftigen Sonnenbrand bescherrt hat, sondern auch meine Augen hat nicht abwenden lassen vom Meer. Keine Wellenschäume am Horizont, die täuschten und das Hirn in die Irre führten. Nein Wirklichkeit - pur. Wale in Sicht. Sie ziehen in den Norden, in die wärmeren Gewässer und machen Pause in dieser wundervollen Bucht, genannt Geographe Bay. Herrliche Strände, wechselndes Wetter, wenig Menschen, außer am Renntag, reine Luft und ein Wind aus Zauber.

Sie jumpen aus dem Wasser und tümmeln sich. Die Wale haben Spaß, oder sie jagen oder paaren sich. Wer weiß das schon aus dieser Ferne. Dennoch nicht zu weit, um sie in ihren vollen massiven Wucht ins Wasser oder aus dem Wasser springen zu sehen. Ich kann meinen Blick nicht abwenden und ich vergesse, dass meine Haut eine Gänsehaut hat von dem kühleren Wind herum. Es macht alles nichts, denn die Natur belohnt meinen Blick. Meine Sinne sind geschärft, ich sitze und genieße, ich wandere und entdecke am Wegesrand eine Schlange. Zum ersten Mal so dicht, dass man Acht geben muss, um nicht Opfer eines Bisses zu werden. Dann aber doch so mutig, um nahe genug heran zu gehen, um auch das als Beweis australischer Natur zu fotografieren.

Es überkommt mich eine innere Freude, Freude auf unseren bevorstehenden Besuch an Weihnachten. Gedanken an die Familie sind jetzt ganz present und natürlich der Wunsch, sie genau Jetzt hier zu haben und sie teil haben zu lassen.

Anaconda Race über Stock und Stein










Auf Wanderschaft




Sugar loaf and snake





So weit der Blick reicht







Wale ohne Ende







Whale watching