Tuesday, January 30

Yes

Die letzten Tage hier in Perth waren eine klimatische Herausforderung für uns. Wir hatten teilweise über 40 Grad und einen Wind, der mit voller Power und höchster Hitzestufe aus der Steckdose kam. Unglaublich wie uns dieses Wetter gelähmt hat. Weder draußen noch drinnen war es auszuhalten. Alles was wir tun konnten war, uns unter die Aircondition zu legen oder den Wellen im Meer die Stirn zu bieten, um wenigstens etwas Abkühlung zu erheischen. Sowie die Aircondition ausgeschaltet oder wir aus dem Wasser wieder raus waren, schlug uns die Hitze ins Gesicht. Nachts schlafen ging ebenfalls nur mit kühler Luft aus der Steckdose. Davon habe ich mittlerweile einen steifen Hals.

Gestern habe ich mit einem Psychologen aus Queensland telefoniert, der mir hinsichtlich meiner Berufsanerkennung einen ordentlichen Schrecken eingejagt hat. Ich will das hier nicht im Detail schildern, aber ich war in der Folge dieses Gespräches am Boden und meine Energieakkus unter Null. Dank Thomas konnte ich mich zügeln und meinen Puls runter fahren.

Aber
Ich habe einen Job. Jippi.

Friday, January 26

Australia Day










Für die Australier ist dies ein Nationalfeiertag, der am 26. Januar begangen wird. 1788 setzten die ersten Einwanderer Australien ihren ersten Fuß auf dieses Stück Erde (first fleet). Wie wir alle wissen waren die ersten Siedler Sträflinge aus England, die mit dem Schiff von Kapitän Arthur Phillip gekommen sind. Dennoch ist dieser Tag so etwas wie die Geburtsstunde des fünften Kontinents.

1818 wurde dieser Tag dann offiziell zum Nationalfeiertag erklärt. 1988 feierte Australien seine 200jährige Geschichte. Offiziell wird dieser Feiertag als Tag erklärt, an dem alle Bevölkerungsanteile Australiens incl. ihrer Kulturen, die die Geschichte und die Einheit (gemeinsam) feiern (sollen). Für die Aboriginis ist dies wohl der schwärzeste Tag, für einige ist es ein Trauertag, für andere ein Tag der Invasion und wieder andere der „Tag des Überlebens“.











Wir haben diesen Tag gemeinsam mit ein paar Freunden bei ca. 40 Grad im Kings Park verbracht. Der Wind war heiß (so als ob man sich einen Fön ins Gesicht hält und die höchste Hitzestufe anhat), die Leute gut drauf und das Feuerwerk einmalig. Eine halbe Stunde durften wir dieses Spektakel aus sicherer Entfernung genießen.

Tuesday, January 23

Und es ist Sommer

Bei herrlichem Sonnenschein, einem eben solchen Blick auf das Meer habe ich bereits meine Joggingrunde heute morgen absolviert.

Der leichte Wind bläst den Salzgeruch durch die Gegend und beflügelt mich beinahe die ganze Küste abzulaufen. Die vielen Sonnenanbeter in Person (nicht das Insekt) haben ihre Handtücher bereits ausgebreitet, schnorcheln, surfen, schwimmen oder lesen.

Die umliegenden Parkplätze sind voll (10.30), alle Neuankömmlinge müssen sich gedulden, um einen Platz zu erheischen. Das Warten ist kurzweilig, denn es ist so viel zu sehen und zu beobachten. Ich habe den Eindruck, dass die meisten Leute am Strand sind und ihre Arbeit heute Arbeit sein lassen. Das ist sicher nicht so, denn es sind viele Urlauber hier und ich glaube, es sind auch noch Ferien.

Ich kann nur allen empfehlen, denen der Winter in Deutschland nicht willkommen ist, hierher zu reisen und diesen wunderschönen Flecken Erde zu bewundern und zu genießen.

Manchmal fragen wir uns, ob wir das eigentlich noch wahrnehmen oder ob es schon zu einer Gewohnheit geworden ist. Abends mal eben mit einem Bier an den Strand fahren und den Sonnenuntergang genießen, oder in ca. 15 Minuten am Surfspot zu sein oder der Küste am Abend noch einen sportlichen Abgang bieten - all das gehört zu unserem Alltag.

Wenn wir mit dem Auto an den Strand fahren gibt es eine bestimmte Stelle, an der man auf einmal den ganzen Blick auf das Meer hat. Es verschlägt uns immer noch den Atem, auch wenn wir wissen, dass da gleich das Meer ist. Ab und an fragen wir uns immer noch gegenseitig: Wo bist Du?

Im Nachgang und im Jetzt betrachtet bereuen wir unseren Schritt hier zu sein nicht. Jetzt fühlt es sich relativ leicht an. Leben kann man überall. Wie - das hängt von jedem selbst ab. Auch wenn ich gefühlstechnisch immer noch Achterbahn fahre, entdecke ich zunehmend meine verstaubten Energien wieder. In solchen Momenten könnte ich die ganze Welt umgraben und hätte immer noch Energie.

Monday, January 22

Die Sieben Zwerge

Es war einmal …

… und wer denkt, Australien liegt hinter dem Mond, der irrt.

Zu später Stund erscheinen die sieben Zwerge auf dem Bildschirm, sprechen deutsch und „verlieben“ sich in Schneewittchen. Wir sehen zu und schlafen dabei ein. Schließlich wissen wir ja, wie das mit dem Schneewittchen ausgeht und der deutsche Zauber verliert unsere Aufmerksamkeit. So geschehen im Sender SBS letzte Woche.

… Besuch zu Beginn der Woche auf seiner Rückreise aus dem Norden und Durchreise nach Sydney. Ein gemeinsames Sightseeing in Perth und anschließend bei Wein und Essen die ersten Eindrücke ausgewertet. Wir werden ein wenig neidisch, da unsere Gäste schon bei den Delfinen im Norden waren und diese aus unmittelbarer Nähe sehen durften. Die Bilder verschärfen mein Interesse, demnächst auch mal dort hin zu fahren. Ich bin beeindruckt wie groß die Delfine sind und glaube, dass ich es vorziehe, diese aus sicherer Nähe zu betrachten. Die Augen der Delfine schauen direkt in die Kamera und vermitteln ein unheimliches Gefühl. Schaut der mich an?

… die Schule ist vorbei. Das Lernen hat mich gefordert und Spaß gemacht. Eine Menge zurück gewonnener Energie beflügelte mich, einige Bewerbungen abzuschicken, denen ich nun hinterher telefonieren muss. Es scheint üblich, schon im Anschreiben darauf hinzuweisen, dass man sich am … telefonisch meldet und nachfragt, wie der Stand der Dinge ist.

… In nicht mal acht Wochen bin ich schon in Deutschland und werde dort vier Wochen „Urlaub“ machen. Die Vorfreude steigt und die Spannung ebenfalls. Die Träume sind immer mehr gefüllt von Personen, die in Deutschland leben. Mein Unterbewusstsein arbeitet auf Hochtouren und bereitet mich auf die vielen Wiederbegegnungen vor.

… Die Nachrichten vom Sturm in Europa und Deutschland haben uns erreicht und sogar die Western Australia widmet eine Seite diesem Jahrhundertsturm.

… Die zunehmende Wasserknappheit in WA verlockt zu absurden Ideen. So ist geplant, dass ein 3000 km langer Kanal vom Norden in den Süden gebaut werden soll, damit wir hier in Zukunft nicht vertrocknen. Alles befindet sich noch im Status der Diskussion. Andere Alternativen hinsichtlich eines bewussteren Umgangs mit dem Wasser außer den bestehenden Wasserrestriktionen bleiben undiskutiert.

… Am kommenden Freitag wird der Australia Day begangen (Nationalfeiertag). Schon seit einer Woche werden wir darauf vorbereitet, dass wir diesen Event auch nicht verpassen.

… Thomas arbeitet fleißig und verbessert sein Surfkönnen weiter. Ich sehe zu und bin beeindruckt. Mittlerweile kommt das Surfbrett nicht mehr vom Dach des Autos, damit wir jederzeit ans Wasser können und Thomas seine Fertigkeiten ausbauen kann.

… Das Brotbacken habe ich aufgegeben. Der Mutterkuchen (Sauerteig) scheint den Geist weg geschickt zu haben und damit auch meinen Erfolg als Bäckerin.

… Der Sommerschlussverkauf lässt uns an die Zeiten in Deutschland erinnern, zu denen es dort so etwas auch noch gab.

… Gerade erfahre ich, dass der Freund meiner Bekannten (Arzt in Melbourne) nun auch Macht über Stempel hat, die bestätigen, dass unsere kopierten Dokumente echt sind. Wenn wir unsere Berufsanerkennung in der Tasche haben würde es mich nicht wundern, wenn auch wir (Psychologen) dies tun dürfen. In Deutschland würden wohl alle wichtigen Instanzen die Hände über den Kopf zusammen schlagen und ihre Macht über die Stempel davon schwimmen sehen.

… Weitere Erlebnisse und Erkenntnisse lassen mich den Kopf schütteln. Ein Land voller Kontraste und Absurditäten.

Friday, January 12

Gagadju

Wie leben Eingeborene in Australien? Auch das ist an diesem Unterricht gut, nicht nur Sprache lernen, sondern auch kulturelle Einblicke gewinnen, die von den populären Darstellungen abschweifen.

So haben wir heute also ein Video über die Aboriginis, die Gagadju, in der Kakadu Area (Nähe Darwin) gelernt, dass sie nicht nur vier, sondern sechs Jahreszeiten haben. Wenn man als Tourist in den Kakadu Park reisen will, benötigt man eine außerordentliche Genehmigung. Diese Area gehört den Eingeborenen, die immer noch in der Lage sind, nicht nach dem Kalender ihre Jahreszeiten einzuteilen, wie wir es kennen, sondern ihre Umwelt "lesen".

Die sechs Jahreszeiten sind: The wet, Bungerang, Yeggay, Woodgang, Goorung, Goonomalong

The wet: Regen, Regen, Regen (Januar bis März). Die Gagadju leben während dieser Zeit in den Bergen, da im Tal alles überschwemmt ist. Und wenn man als unwissender Tourist zu dieser Zeit diese Gegend bereist, ist man nicht gut beraten. Alles steht unter Wasser.

Bungerang: Wenn der Regen abnimmt, die Stürme und die Luftfeuchtigkeit zunehmen und ein Wind kommt, der ab und an als Thunderstorm mit Regen erscheint, dann ist das ein Zeichen, dass eine neue Jahreszeit beginnt. Der grüne Grashüpfer ist ebenfalls einer der Symbole, die den Wechsel signalisieren. Die Cicaden beginnen ihre Geräusche zu machen. Derjenige, der das schon mal gehört hat, hat in etwa eine Vorstellung. Ich kann das leider nicht beschreiben, wie das klingt. Es fehlen mir die Worte. Vielleicht wie viele Grillen im Graben, nur tausende mehr.

Yeggay: Die Billabongs werden wieder belebt und sind mit Wasser gefüllt. Billibong ist nicht nur eine Sportfirma, sondern ein Begriff aus der Aboriginiwelt und bedeutet "Wasserloch". Das neue Leben erwacht. Die Gagadju kommen aus den Bergen ins Tal und blühen auf, wie all die vielen Pflanzen um sie herum. Diese Jahreszeit steht für Wiedergeburt der Natur. Die Kinder genießen das Plantschen im Wasser, es ist ein Ort, der einem Spielplatz gleicht.

Woodgang: Die Billabongs beginnen zu schrumpfen. Für die Vögel wird es immer einfacher, die Fische zu fangen. Es wird wärmer. Damit es keine großen Buschfeuer gibt, werden absichtlich Feuer gelegt, die in der Abenddämmerung von alleine erlischen. Nur wenn es gebrannt hat, kann die Blüte einer besonderen Pflanze (The Gras tree) erblühen. In Aboriginal Sprache heisst dieser Baum: Balga (siehe Bild).

Goorung: Diese Jahreszeit ist die heisseste. Die Natur bereitet ihre Arme zum Pflücken aus und kommt einem Supermarkt gleich. Die Früchte der Pflanzen können gegessen werden. Eine besondere Vogelart tanzt den eleganten Tanz, die Bienen sorgen für ausreichend Nektar. Die Aboriginis sammeln den Nektar, in ihrer Sprache: collect suggabag. Den Honig holen sie aus den Bäumen, indem sie dem Baum zuhören und das Summen darin entdecken. Mit eigenen Händen "ernten" sie den Nektar ohne Schutz. Warum? Weil die echte australische Biene nicht sticht. Vorsicht, niemand von uns weiß, ob es eine einheimische oder eingewanderte Biene ist, die da um uns herum schwirrt.
Das Wasser ist nicht mehr da. Nur noch das Wasser in den Bäumen, das nur die Eingeborenen finden und entdecken, spendet 2 Liter (pro Baum). Damit kann man überleben.

Goononamlong: Es ist die Zeit, zurück in die Berge zu gehen. Diese Jahreszeit signalisiert den Wechsel zwischen der trockenen und der nassen Jahreszeit. Kein Wind, absolut hohe Luftfeuchtigkeit. Die Aboriginis können im Tal nun nichts mehr tun und nutzen ihren Aufenthalt in den Bergen zum sprechen, kochen, lernen und so weiter. Also auch keine Reisezeit für uns dorthin.

Die Aboriginis können in der Regel nicht schreiben, sie sprechen ausschließlich und das in ihrer Sprache. Für warme Sachen gehen sie allerdings nicht mehr Kängruhs jagen. Die Zeiten sind vorbei. Dennoch gibt es Stämme, die über Generationen hinweg ihr Wissen per Wort verbreiten.


Auf der Schulbank

Es ist unglaublich, ich habe meine erste Woche Englischkurs absolviert und bin außerordentlich müde, von diesem vielen Lernen und Hausaufgaben machen. Auf einmal waren die Tage wieder sehr lang für mich. Morgens um 5.30 aufstehen, um 8.15 mit dem Unterricht beginnen und Nachmittags die Hausaufgaben erledigen (bis 23.00). Ich entdecke meine Energien wieder und bin froh lernen zu dürfen sowie einen festen Tagesablauf zu haben.

Nachdem wir am Montag ausreichend und umfangreich getestet wurden, um dem entsprechenden Lernlevel zugeordnet zu werden, landete ich dann in einer Klasse mit 12 Studenten. Die Gruppe besteht aus Japanern, Koreanern, einem Kolumbianer, einer Schweizerin und einer Deutschen :-). Nachdem ich Montag vormittag noch dachte, was ich da eigentlich soll und meine Fluchtgedanken für einen Moment Überhand gewannen, bin ich froh geblieben zu sein.

Der Unterricht ist sehr abwechslungsreich und anspruchsvoll. Wir müssen viel sprechen, lesen, hören und schreiben. Gestern habe ich meinen ersten Artikel zum Thema: Cinema - a dying species? geschrieben. Nebenbei lernen wir auch, wie solche Artikel sturkturiert sein müssen und binden unsere praktischen Erfahrungen, Einstellungen etc. mit ein. Das war ziemlich umfangreich. Einen ersten "Test" habe ich auch schon hinter mir, ging um das Leseverständnis einer Story von Roald Dahl. Das Ergebnis, dass ich heute bekommen habe, zeigt mir, dass ich meine Schwächen woanders habe. Lesen, Verstehen und auch Sprechen gehören zu meinen Stärken, aber meine Grammatik ist ausbaufähig. Nächste Woche muss jeder 10-20 Minuten eine Präsentation machen, die anderen in etwas unterrichten. Ich habe noch keine Idee, welches Thema ich wählen , aber mir ist klar, dass ich das ganze Wochenende daran sitzen werde. Unsere "Lehrerin" gab mir heute zu verstehen, dass ich nicht in dieser Schule sitzen muss. Sie meint, mein Englisch ist gut genug und kann nur im Rahmen von diversen Tätigkeiten (z.B. ehrenamtlich arbeiten in meinem speziellen Bereich) verbessert werden. Sie schreibt mir eine Referenz für meine Bewerbungen. Also werde ich doch nur zwei Wochen die Schulbank drücken. Drei Bewerbungen habe ich gestern bereits abgeschickt und denke nicht wirklich daran, auch nur eine Antwort zu erhalten.

Ganz zufällig und ein bißchen abschweifend von unserem Thema in den letzten Stunden heute sind wir auf kulturelle Unterschiede gekommen. Eine Japanerin erzählte, dass sie Kochen lernen muss. Auf die Frage, warum sie das lernen muss, antwortete sie, um einen Freund haben zu können. Etwas verwirrt waren die Blicke derer, denen dies absolut fremd erscheint. Der Lehrer sagte dann auch, dass sie das Kochen nur für sich lernen muss und nicht für andere. Sie nickte zögerlich (schließlich hat sie viele Monate eine Kochschule in Japan besucht) und konnte den Bedeutungsunterschied nicht wirklich verstehen. Also wurde die Diskussion darüber vertieft. Sie machte noch einmal deutlich, dass wenn man als Frau kochen kann, man dann einen Freund oder Mann bekommt. Ansonsten hat man schlechte Karten. Da wir ein paar Nationen in unserer Klasse vertreten haben tauschten wir uns sodann darüber aus, wie es bei den anderen ist. Verry interessant! Nur der Kolumbinaer, die Schweizerin und ich beschrieben die Gleichwertigkeiten von Mann und Frau in unseren Herkunftsgesellschaften.

P.S. Die Schweizerin flüsterte mir zu, dass man als Frau gut im Bett sein muss, alles andere ist egal.

Saturday, January 6

Über die Einsamkeit

Es gelingt mir tatsächlich, den ganzen Tag zu Hause (hier in Perth) zu verbingen, ohne einmal vor die Tür gegangen zu sein. Wie warm ist es draußen?

Abends schlägt das schlechte Gewissen zu, den Tag "vergeudet" zu haben, nicht laufen gegangen zu sein, nicht wirklich etwas zu Stande gebracht zu haben. Morgen wird alles anders!

Der Tag beginnt in der Regel um 7.00, ein kurzes Frühstück und dann an den Rechner. Emails checken (wer hat geschrieben, hat überhaupt einer geschrieben?). Anschließend so dahin. Und dann weiter so dahin. Danach immer noch so dahin. Später warten. Bis das Garagentor geht und dass das so dahin abgelenkt wird. Endlich nicht mehr allein.

Das es möglich ist, in einem fremden Land und einer anderen Kultur zu leben, ohne auch nur ein Wort die Sprache des jeweiligen Landes zu sprechen ist so einfach. Glücklich macht es nicht. Das kann ich schon mal sagen. Und im beschriebenen Extrem betreibe ich dies auch nicht. Es gibt aber durchaus Tage ...

Wann hört es endlich auf zu dauern? Eine Postkarte, die bei mir an der Wand hängt und die ich nicht wirklich jeden Tag lesen will. Ich muss dann überlegen, was das "es" bedeutet. Das Leben, das temporäre Warten, das Alleinsein, Alles? Oder, wann kann ich mehr erzählen, wie Einsamkeit sich anfühlt, ohne dass der Zuhörer aus allen Wolken fällt und sich Sorgen macht. Von den Sorgen habe ich nichts. Sie rücken meine eigenen Gedanken nicht beiseite und öffnen Horizonte.

Neue Menschen kennen lernen, neue Kontakte halten, Fragen beantworten, das soziale neue Umfeld erforschen, sich selbst noch mehr spüren, ohne etwas damit anfangen zu können, nicht mehr täglich zum Bäcker gehen und Schwarzbrot kaufen, nicht mehr mal eben auf ein Bier verabreden, keine gemeinsamen Schnittpunkte mehr haben, um sich etwas erzählen zu können oder auszutauschen, auf Emails und Anrufe warten, auf Besuch warten, der gleich vorbei kommt, weil man Geburtstag hat, sich neu definieren, sich neu beruflich integrieren und lernen, wie und womit gearbeitet wird - all das Fehlen und noch viel viel mehr füttert die Einsamkeit stetig und macht mich mürbe, wenn ich nicht aufpasse.

Sich mit Menschen treffen, die ich niemals treffen würde, wenn ich dazu nicht gezwungen wäre, Dinge unternehmen, zu denen ich in Deutschland schon keine Lust hatte, darüber nachzudenken, meine Bilder auf Augenhöhe zu bekommen, weil ich sie nicht an die Wand nageln kann. Auch das gehört dazu.

Und dennoch sagen können, dass ich den Schritt und die bewusste Herbeiführung dieses Umbruchs noch nicht bereue. Das ist mein Lichtblick. Mal sehen, was ich in einem halben Jahr sagen werde.

Nach Hause (nach D.) zu kommen und wieder gehen zu müssen. Ich habe keine Vorstellung davon, ob mich dann ein ähnlich intensiver Abschied erwarten wird. Werde ich mich auf meine Rückkehr nach Perth freuen? Wann werde ich wieder kommen können, um meine Liebsten zu sehen?

Und wann werde ich wissen, wo mein Zuhause ist?

Friday, January 5

Real Life

Morgen ist es soweit. Wir freuen uns darauf, einen Freund aus der Heimat am Flughafen in Perth in Empfang zu nehmen. Noch nie habe ich mich so auf einen Besuch gefreut und hoffe, dass ich noch viele Male ein derart ähnliches Gefühl hier erleben darf.

Viele Freunde beschäftigen sich mit dem Gedanken, uns hier an einem der einsamsten Orte der Welt zu besuchen. Doch leider spielen die Arbeitsumstände in Deutschland und andere Gründe gegen konkrete Planungen so weit um die Welt zu reisen. Ich akzeptiere das und bin dennoch traurig darüber, dass die Arbeit einen so großen Einfluss auf private Vorhaben hat. Was muss passieren, damit sich das Verhältnis zwischen Arbeit und Freizeit in ein Gleichgewicht bringt?

Das tägliche Lesen der Zeitung hier und die vielen Gespräche mit Menschen, die hier beruflich integriert sind, geben so einiges Interessantes über die Arbeitswelt in Western Australia preis. Das Durchschnittsgehalt eines Australien beträgt brutto ca. 36.000 Dollar !!! Rechnet das bitte selber in Euro in (durch 1,67) und dann überlegt mal, ob Ihr mit diesem Gehalt auskommen würdet. Das der Lohn hier wöchentlich ausgezahlt wird (ist die Regel) hat einen besonderen Grund. Wäre das nicht so, würden die meisten ihr Geld (bei monatlicher Auszahlung) bereits zu Beginn des Monats aufgebraucht haben. Die hohe Verschuldung treibt die Geschäftemacher an. Beispielsweise wird damit geworben, dass man sich jetzt eine Couch kaufen kann, sie aber erst 2010! bezahlen muss. Wer kann denn so kalkulieren, zumal die Couch dann nichts mehr wert ist und wahrscheinlich schon eine neue her muss. Der Bauernfang funktioniert. Die Leute "kaufen". Sie leben eben im Hier und Jetzt.

Der Arbeitsmarkt boomt weiter. Die Fachkräfte fehlen und werden weiterhin aus dem Ausland eingeschifft, damit der Markt bedient werden kann. Immer wieder frage ich mich, warum so ein Hype um meine berufliche Anerkennung gemacht wird, wenn deutlich wird, wie wenig oder wie schlecht die Leute hier ausgebildet sind. Auch ein Friseur (nichts gegen Friseure) hat ein Diplom als Abschluss. Das kann schon mal verwirren.

Junge Leute, ca. 25 Jahre, stellen sich in Firmen vor, ohne einen Abschluss, aber dafür schon in teilweise 10 unterschiedlichen Firmen gearbeitet zu haben. Zum Teil wissen sie nicht, was sie wirklich verdienen. In Lohnverhandlungen sprechen sie von Stundenlöhnen. Was das umgerechnet auf einen Monat bedeutet, bleibt dem Arbeitgeber überlassen. Um so mehr wundert es mich, dass sich die Kriminalität in Grenzen hält, wenn einige ihr Geld am Abend des Lohntages in den Pubs versaufen und am Folgetank einen Sickday (Krankentag) nehmen. Wenn Sie dann mal wirklich krank sind, haben sie diese Sickdays nicht mehr und erscheinen eben krank auf Arbeit. Dort sitzen sie ihre Zeit ab, leisten nicht wirklich was.

Gute Fachkräfte bekommen oder sie für eine längere Zeit als sechs Monate an eine Firma zu binden, ist echt schwer. Viele nutzen Westaustralien sicher als Sprungbrett, um ins Land zu kommen und dann in die Easternstates zu ziehen (z.B. Melbourne, Sydney). Es gibt eine reale Kluft zwischen den Territorien West- und Ostaustralien. Ein Vergleich zum ehemaligen Osten und Westen in Deutschland kann in etwa dieser Situation standhalten (nur umgekehrt: hier ist der Osten up to date und der Westen hinterher). Wenn man gefragt wird, ob es einem gefällt, dann darf man nur mit "Yes, very well" antworten. Kritische Gedanken sind nicht willkommen. Man wird schon mal schräg angesehen, wenn man erzählt, dass beispielsweise Berlin fehlt (aufgrund der kulturellen Möglichkeiten und Anzahl der Events).

Das man Kompromisse eingehen muss, wenn man in ein anderes Land zieht ist absolut klar. Doch auch das hat seine Grenzen. Eine komplette Verbiegung des eigenen Selbst führt nicht zu Echtheit. Auch hier müssen alle lernen, dass Kritik nicht immer etwas Schlechtes ist und das eine Seite mehre Perspektiven hat.

Es gibt also eine Menge zu tun.