Thursday, August 31

„Obdachlos“

Dies war die letzte Woche in unserer Berliner Dachgeschosswohnung in Weißensee/Berlin. Am 31.08.2006 war die Wohnung bezugsfertig für den nächsten Mieter, wer immer dies auch sein mag. Frisch renoviert, polierter Holzfußboden, geputzte Fenster, leerer Kühlschrank und ein kalter Herd warten nun gespannt, wer demnächst Einzug halten wird. Die 125 m² wollen bezogen werden, die Terrasse und Sauna zum Entspannen genutzt werden bei einem schönen Blick über Teile Berlins. Wohnung ade - scheiden tut weh. Nun habe ich nach einem letzten Rundgang die Tür für immer geschlossen. Es gibt für mich keinen Grund mehr, die Stufen hoch zu gehen, denn diese Tür bleibt mir nun verschlossen.

Eine Symbolik, die gut zu meinem nächsten Vorhaben passt. Beruflich erwartet mich der berufliche Ausstieg, dann der Abstieg und mühsam werde ich mir danach Schritt für Schritt jede Treppenstufe erarbeiten müssen, um meinen Blick über den Dächern (von wo auch immer) wieder schweifen zu lassen.
Die Tür zu meinen Nachbarn ist nun geöffnet (Ich habe einen Schlüssel und muss nicht dauernd klingeln. DANKE!)
Trotzdem ich fühle mich obdachlos und habe immer noch nicht realisiert, was geschieht. Es ist als ob der Film neben mir läuft. Zurzeit habe ich also nur noch mich, meine Koffer, meinen Laptop und mein Handy. Mit diesem Gepäck bewege ich mich die nächsten Wochen zwischen Güstrow und Berlin. Das Ticket ist bezahlt; am 4. November hebe ich in Hamburg ab und werde ca. 24 Stunden (incl. Zeitverschiebung) bei Thomas sein. Es kommt mir vor, als ob wir uns ein halbes Jahr nicht gesehen haben. Das Zeitgefühl ist verloren gegangen, der Kalender zeigt täglich ein neues Datum. So langsam kann ich die noch verbleibenden Wochen auf einem Blick sehen. Es sind noch 9 Wochen!

Tuesday, August 29

Zum Wohl

Die Tage werden kürzer hier in Berlin, es wird zunehmender frischer. Der Wind hebt den Abend in herbstliche Gefilde. Zu wissen, dass ich bald wieder in die Sonne fahre hilft mir die triste Wetterzeit zu überstehen.
Heute ist der 28. August. Vor genau zwei Jahren haben Thomas und ich uns das JA-Wort in der zauberhaften Kirche in Badendiek gegeben. Zu dem damaligen Zeitpunkt wussten wir schon, dass Australien eine ganz besondere Bedeutung in unserem Leben hat. Denn zu Beginn 2004 sind wir von unserem ersten Australienurlaub voller Energie und Euphorie zurück gekehrt. Thomas hat mir den Antrag während des Sylvesterfeuerwerks in Sydney gemacht. Es gibt kaum eine schönere Kulisse. Als wir zurück kamen, waren wir fest entschlossen, dort wieder hin zu reisen oder gar zu leben. Wir hatten so viele Pläne zu diesem Zeitpunkt, die nach unserer Rückkehr schnell vom Alltag aufgebraucht waren. Aber eines ist geblieben, unser Wunsch nach spürbarer Veränderung.
Thomas hatte sich zu diesem Zeitpunkt(2004) per Bewerbung bei einer Agentur vorgestellt. In unserem USA-Urlaub im letzten Jahr kam dann die konkrete Anfrage aus Perth. Was war das für eine Aufregung in New York, als wir die Mails lasen, Thomas per Telefon Kontakt nach Australien aufnahm, seinen Flug von Berlin nach Düsseldorf in New York buchte, um zum ersten Mal seinen zukünftigen Arbeitgeber kennen zu lernen. New York verblasste, denn wir waren nur noch mit den Gedanken an Australien beschäftigt und nahmen diese, von so vielen Menschen geliebte Stadt, im Nebel wahr.
Im August letztes Jahres sind wir dann zum ersten Mal nach Perth für eine Woche gereist, um uns ein Bild zu machen. Wir konnten uns in dieser Woche auf den Alltag einlassen, erlebten kein Urlaubsgefühl. Unsere Emotionen fuhren mit uns Achterbahn, die einfach nicht anhielt. Thomas bekam seinen Vertrag zur Unterschrift. Wir hatten uns in Perth 2005 entschieden und wollten diesen Schritt wagen. Zurück in Deutschland, den noch nicht unterschriebenen Vertrag in der Tasche und damit auch all unsere Zweifel. Täglich telefonierten wir mit unseren Familien, täglich überlegten wir ob wir gehen sollen oder nicht. Unsere rationalen Gedanken und der Druck von außen trieben uns dazu, alles abzusagen. Der Arbeitgeber war enttäuscht. Die Familien erlöst, wir erleichtert. Doch das hielt nicht lange an, wie wir ja jetzt alle wissen.
Und nun sitze ich hier in der leeren Wohnung, habe mit unserem besten Freund angestoßen, blicke in Gedanken zurück und schaue in Hoffnung nach vorne. Meine emotionalen Kräfte verlassen mich. Ich nehme zum zweiten Mal Abschied von allem und kann diesen Rucksack kaum noch tragen. Die Zeit geht unaufhaltsam voran, besondere Begegnungen mit Freunden bestätigen mich in meinem Tun. Die Zeit die wir haben nutzen, um zu leben und zu spüren.
Ich feiere nun allein. Thomas ist schon im neuen Tag und hat die zwei Jahre voll gemacht. Mir bleiben noch genau 2 Stunden dafür. In aller Stille.

Sunday, August 27

Picknick


Am Swan River Picknick und den Muskeln Gutes tun. Entspannung ist angesagt.
Am Abend noch ein Bier und eine Zigarette mit der neuen Nachbarin rauchen.
Und fertig ist das Wochenende!

63 Minuten


















Eigentlich sollte es mal der Marathon in New York werden. Keinen Gedanken haben wir daran verschwendet, dass es erstmal der größte Lauf in Westaustralien werden wird. Thomas hat vorgelegt und ich muss nachziehen. 2007 steht der Termin schon in meinem Kalender. Dann werde ich auch dabei sein.

Thomas ist zusammen mit einem Arbeitskollegen und dessen Frau an den Start gegangen. Den für sie vorgesehenen Startblock D haben sie mal eben ignoriert und sind gleich von der Poolposition, also Startblock A, gelaufen. Das hat wahrscheinlich auch dafür gesorgt, dass die Zeit so gut geworden ist. Im Verlauf standen wenige Zuschauer an den Straßen. Naja ist eben kein Marathon. Das Wetter hat dafür für gute Laune und Zeiten gesorgt. Die Startzeit 8.00 war schnell vergessen.

BYO

Aktivwochenende in Perth: Thomas hat sich einen sportlichen Vorlauf verschafft, den ich hier erstmal aufarbeiten muss.
Samstag-Morgen:
Um 6.15 Treffen am Swan River und 50 km mit dem Rennrad. Achtung immer schön links fahren, denn von rechts kommen die Supersportler im Pack und fahren ein anderes Tempo mit ihrem Rennrad. Es ist noch dunkel und Thomas fährt ohne Licht, dafür aber in Begleitung in den Sonnenaufgang hinein. Kann ein Tag schöner beginnen? Ja man kann auch ausschlafen und sportlich träumen. Je nachdem, wie hoch das sportliche Aktivitätspotenzial ausgeprägt ist.
Samstag-Abend:
Den Abend dann in Hillarys ausklingen lassen bei einer Pizza mit netten Leuten und selbst mit gebrachtem Wein. Das nennt man BYO (bring your own). Es ist üblich, dass man die alkoholischen Getränke in die Kneipe mitbringen darf, wenn es dort keine Ausschank-Lizenz gibt. Für die Gläser zahlt man 3-5 € Korkgebühr.
Thomas erforscht täglich seine neue Welt und erfährt somit Schritt für Schritt wichtige Infos für Social-life.

12 Kilometer von der City zum Meer



http://citytosurf.activ.asn.au/

Für alle interessierten Sportler und Zuschauer kann man mit dem Link mal sehen, dass Sport Teil des Lebens ist in Australien.

Sunday, August 20

Im stillen Kämmerlein

Ich sitze im Kämmerlein, das immer im Notfall und für einsame Zeiten einen idealen Rückzugsort bietet, um allein zu sein mit dem Wissen um die Nähe der Familie. Übersetzt sitze ich im Arbeitszimmer meiner Eltern, in dem ich auch schlafe, wenn es mich am Wochenende in den Schoss der Familie zieht. Hier habe ich ein Stück Geborgenheit, fühle mich nicht so verloren und gut aufgehoben. Trügerisch lockt diese Umgebung alles zu vergessen, was gerade um einen selbst passiert. Rational ist dies jedoch nicht realisierbar. Ich habe ja bereits über die Unterschiede zwischen allein-, gemein- und einsam sein geschrieben.

Die Zeit vergeht im Schneckentempo, so oft habe ich bedauert, dass sie zu schnell läuft. Jetzt kann ich es gar nicht mehr abwarten, dass die noch verbleibenden Monate schneller vergehen also sie ursprünglich ablaufen. Nun denn, Geduld ist mein Thema und das Tempo auch. Manchmal überhole ich mich selbst in dem was ich tue und kann gerade noch den entwickelten Rauch sehen, der an mir vorüber zieht. Den Kolt aus der Tasche ziehen und pusten. Geschafft, weiter geht’s. Meine Tätigkeiten werden hier nun überschaubarer und wesentlich geordneter. Es kehrt allmählich eine Struktur ein, mit der ich nicht vertraut bin und die mich hadern lässt mit mir selbst. Meine Ungeduld meldet sich täglich zu Wort und füttert mein schlechtes Gewissen, so inaktiv zu sein. Dabei habe ich schon noch etwas zu tun-nämlich das Zusammensuchen diverser Unterlagen für meine berufliche Anerkennung in Australien. Die Vielfältigkeit und Komplexität dieser Anforderung verwirrt mich und bremst mich so sehr, dass ich bisher noch nicht wirklich viel erreicht habe. Kontrastprogramm ist angesagt, denn für mehr habe ich nicht gezahlt: Warten, dass die Monate vergehen und das eigene Profil schleifen bis der Arzt kommt. Dazwischen gibt es für mich nichts, das Bewegen zwischen diesen Polen ist vergleichbar mit einem Auto, das mit Kängurusprit betankt ist. Es ruckelt ganz gewaltig und man ich habe das Gefühl, keinen Schritt weiter zu kommen.

Ein Stück Heimat

Thomas hat bereits die meisten Kisten ausgepackt und Vieles einsortiert. Stühle und Tische bieten Platz für sechs; Schneewittchen ziert sich noch. Das Geschirr ist unversehrt (nur ein Glas ist zu Bruch gegangen) und macht sich gerade mit dem neuen Standort vertraut. Die rote Couch ist platziert und wartet auf den ersten Besuch. Der erste Schreibtisch hat schon schwer zu tragen; der Computer hat sich breit gemacht und funktioniert tadellos. Unsere neue Waschmaschine hat schon ihren ersten Dienst geleistet und ordentlich gewaschen. Aufgrund des Regens gibt es einen Wäschestau, der Trockner fehlt. Das weltbeste Bett der Welt steht seit der Ankunft an der richtigen Stelle und tut der Seele viel Gutes. Thomas hat nicht gefroren, super gut durchgeschlafen und erholt sich allmählich von seiner Erkältung. Ach ja und die Musik zaubert australische, aber auch andere, Töne und untermalt das Chaos (wozu brauchen wir da noch eine 5.1 Anlage?). Ein verwirrtes Kabel, von seiner Zugehörigkeit zu den Geräten undefinierbar, stellt die Verbindung zwischen Laptop und Anlage her. Eine DVD in deutscher Sprache spielt. Zukunft, ich komme.

Zufälle

Gibt es den Zufall wirklich? Oder ist alles Schicksal? Ist Schicksal im Wortgebrauch eigentlich nur negativ behaftet? Eine Vertiefung an dieser Stelle führe ich nicht an, zumal ich mit meinen Eltern dies umfangreich diskutiert habe. Und dann das:

In der letzten Woche sind gleich mehrere Dinge passiert, die ein Wort der oben genannten gut beschreiben würde. Thomas geht mit Daniel in Leaderville (Suburb von Perth) in die Kneipe (übrigens ähnlich wie der P-Berg in Berlin, nur kleiner). Sie quatschen dies und das. Es stellt sich heraus, dass Daniel als Architekt das Haus vom ehemaligen Chef von Thomas gebaut hat. In unser Nachbarhaus zieht eine Deutsche (zum Glück etwas älter – man weiß ja nie, wozu einen die Einsamkeit treibt). Ein Kollege von mir erzählt (allerdings schon einige Wochen her, um ehrlich zu bleiben), dass Daniel und seine Frau auswandern. Auf die Frage „Wohin?“ sagt er „…nach Perth“. Meine Schwester (Lehrerin) beginnt an einer neuen Schule und arbeitet mit einer Frau zusammen, die die Schwägerin eines engen Freundes aus Berlin ist. Ihre Horterzieherin ist eine ehemalige Schülerin von ihr. Die Exfrau meines engsten Studienkollegens heiratet einen Australier und lebt …? Na ja wie sollte die Antwort anders ausfallen: in Perth.

Sportarten

Beim Abholen der Möbel aus dem Lager des Agenten von TNT fällt Thomas’ Uhr in den Blick des Agenten. Eine rote Hightech Pulsuhr, die nicht so sehr leuchtet, aber jedem Sportler ins Auge sticht. Daraufhin angesprochen berichtet Thomas von seinem Hobby (Fahrrad fahren) und steht leibhaftig einem Teilnehmer des Ironman gegenüber. Schnell finden die beiden, dass nicht nur das Fahrrad fahren, sondern auch die zwei anderen Sportarten (Laufen und Schwimmen), in ihrer Summe Triathlon genannt, eine Verbindung zwischen ihnen herstellt. Im Ergebnis dessen wird Thomas gleich mit in die sportlichen Aktivitäten eingeplant und aufgefordert bei den Trainings dabei zu sein und mitzumachen. Das Ziel dieser gemeinsamen sportlichen Aktivitäten ist nicht, am kommenden Ironman zusammen teilzunehmen, denn Thomas hat bisher nur den Minimarathon mitgemacht. Da nun endlich auch die sehnlichst erwarteten Sporträder da sind steht diesem Vorhaben nichts mehr im Wege. Übrig bleibt die unterschiedliche Kondition, ein Hindernis aber keine Mauer.

Perth und Umgebung bietet sehr viele sportliche Möglichkeiten. Schwimmen muss man beispielsweise nicht nur im Meer. Etliche olympische Schwimmbäder bieten ausreichend Komfort und Schutz vor den Haien. Die Kletterhalle sorgt dafür, dass man nicht bei jedem Griff daran denken muss, ob da wohl gerade ein Untier sein Versteck hat. Beim Laufen muss man nur ausweichen, wenn sich einem etwas in den Weg stellt. Das Surfen, Kiten und Wellenreitern kann man hingegen nur auf der Welle. Schutz bietet der Neoprenanzug. Ob der ausreichend im Fall der Fälle ist bezweifle ich. Das Wandern ist des Müllers Lust - das Outback ist so nah. Fliegen, Fallschirm- oder Tandemsprünge sind erschwinglich, wenn man den Weg nach oben schafft und oben die Augen zu macht. Football schauen wir lieber im TV, Rugby ebenso und Cricket verstehen wir erst gar nicht. Soccer ist uns hingegen sehr vertraut – die Heimat schickt einen Gruß.

Sicher im Hafen



Nachdem unser Möbelcontainer am Sonntag in Fremantle angekommen ist waren folgende Dinge zu organisieren: 1. Termin mit dem Zoll (dort Zollerklärung abgeben) 2. Transport der Möbel zum Agenten (hat Agent organisiert) 3. Termin mit Quarantäne vereinbaren 4. Transport der Möbel zu unserem Haus.

Reibungslos, aber mit viel körperlicher Anstrengung verbunden, stehen nun die verpackten Möbel und Kisten in unserer Garage und blockieren den trockenen Platz unterm Dach für unser Auto. Die Quarantäne hat sich die Möbel am Freitag angesehen und darum gebeten, die Kisten: Schuhe und Blumentöpfe zu öffnen. Lobend haben Sie die Reinheit bei der Besichtigung erwähnt (ebenso die Sauberkeit unserer vier Fahrräder). Ein Besprühen mit diversen Chemikalien war nicht erforderlich, so dass Thomas die Möbel zeitnah von der Umzugsfirma in die Grand Prom fahren lassen konnte. Überwältigt von der Masse unseres Hab und Gutes haben sie eine Stunde gebraucht, die Möbel in den LKW zu packen (und auch wieder auszupacken). Ohne Thomas’ Unterstützung hätten die wahrscheinlich noch länger gebraucht. Ca. 1100 $ hat diese ganze Aktion (Zoll, Quarantäne und Transport) zusätzlich, der Umzug von Deutschland nach Perth hat ca. 5000 € € gekostet. Im Nachhinein betrachtet ist das doch eine gute Summe, die durchaus ihre Berechtigung hat.

Saturday, August 12

Land in Sicht

Die Reederei hat angerufen und das Eintreffen unserer Möbel für Sonntag angekündigt. Ab Montag/Dienstag sind sie dann verfügbar. Nach intensiver Recherche und vielem Fragen sind nun auch dem Spekulieren über die Inempfangnahme der Möbel und Kosten des Transports beendet. Thomas wird am Montag zum Flughafen zur Zollbehörde fahren. Dort muss man die Frachtpapiere, die Zollerklärung und den Pass vorlegen. Parallel dazu wird der Container zu einem Agenten gebracht, um dort mit der Quarantäne vor Ort zu prüfen, welche deutschen Gefahren möglicherweise eingeschleust werden und Australien gefährden. Erst danach können die Möbel ihre neue Herberge beziehen. Ohne einen Agenten wäre dieses Prozedere unmöglich, aber auch billiger. Nein im Ernst, man würde das alleine nicht machen können. Die Möbel werden also in unserer Garage abgestellt. Dann darf Thomas schon mal ein bisschen Weihnachten haben und sich über lange Entbehrtes freuen, wenn alles heil ist.

Im Gegenzug dazu ist die Berliner Wohnung ja nun fast komplett leer. Die letzten 14 Tage brechen an und wollen intensiv genutzt werden. Danach heißt es dann „Ade“ sagen und daran gewöhnen, sich nur noch einen Stockwerk hoch zu quälen anstatt 5. Für die weniger sportlichen ein beachtlicher Fortschritt. Für diejenigen, die wissen, was das eigentlich wirklich bedeutet und auch der persönliche Abschied immer näher rückt nicht wirklich.

Erden

Warum machen wir das? Was ist die Motivation, alles aufzugeben? „Abenteuer“-ja, und dennoch ist das nicht alles. Bei der realen Betrachtung und Reflexion der Dinge, die Australien zu bieten hat bleibt manchmal nur das Urlaubsland übrig. In einem Land leben, wo andere Urlaub machen. Reicht das? Reicht das auf Dauer und führt das zu einer Zufriedenheit, nach der wir gesucht haben und die wir in Berlin nicht hatten? Aus einer modernen Stadt wie Berlin nach Perth in die Provinz ziehen. Ja, Perth ist eine Provinz. Nicht nur, weil dort viel weniger Menschen leben, sondern weil das Leben an sich ganz anders funktioniert. Es ist wie eine Zeitreise in die Vergangenheit. Das bisherige Leben wieder an einen Punkt bringen, an dem sich neue Relationen entwickeln. Erkennen, was einem wirklich wichtig ist. Wann haben wir schon mal die Möglichkeit an der Uhr zu drehen. Just in diesem Moment denke ich natürlich an den Rosaroten Panther („Wer hat an der Uhr gedreht? Ist es wirklich schon so spät? Stimmt das … Heut ist nicht alle Tage. Ich komme wieder-keine Frage).
Bitte keine Ratschläge, Wunderfragen, Warum-Fragen. Alles ist gut so wie es ist. Es wäre zu blauäugig, die Kulisse zu ignorieren und nur die Bühne zu betreten. Wie atmet dieses Land, wie funktioniert das Zusammensein, wie die Kommunikation. Wie fühlt es sich an, Ausländer zu sein und was macht das mit uns selbst. Spannende Fragen, die es zu erforschen gilt und die nach Antworten suchen. Dasein heißt nicht Hier- oder Dortsein. Dasein bedeutet wach sein, die Augen aufhalten und die Aufmerksamkeit bewusst auf das Leben richten. Es ist ein Luxus, diese Entdeckungsreise angetreten zu sein und es wird reich an Erfahrung machen. Es ist tatsächlich wie ein Lottogewinn mit dem Unterschied, dass am Ende mehr im Lebensrucksack ist.

Begegnungen

Wir haben lange nicht mehr so viele neue Personen kennen gelernt wie zu dieser Zeit. Sehr unterschiedliche Menschen kreuzen unsere Wege und gehen ein Stück mit uns gemeinsam. Das schafft eine neue Form von Verbundenheit, die den alltäglichen Begegnungen die Stirn bietet. Bei so Manchem habe ich mich dabei ertappt, bereits jetzt daran zu denken, dass dieser Weg nur ein kurzer ist und wir größtenteils wieder alleine weiter gehen. Ich bin froh, dennoch diese Bekanntschaften gemacht zu haben und fühle mich in diesen kurzweiligen Gesprächen gut aufgehoben. Hier finde ich die Art von Verständnis, die ich suche. Hier ist es legitim auch Zweifel zu äußern. Hier bauen wir uns gegenseitig auf und malen uns die Zukunft aus. Einige Male haben mich diese Treffen recht durcheinander gebracht und ins Loch geschubst. Wir schonen uns nicht mit Neuigkeiten und malen eben nicht alles rosarot.

Emotionen

Ich befinde mich in einer langen Abschiedsphase (beruflich wie privat). Die zunächst bereits eingestellte Distanz zu allen noch beruflichen Erfordernissen für die letzte Zeit ist aufgeweicht und nimmt die Nerven in Anspruch. Viele Kollegen sind bereits in Kenntnis gesetzt, dank meiner Information oder des Buschfunks. Einige Klienten werden informiert. Es ist noch gut Zeit, all dieses in Ruhe zu Ende zu bringen und Aufgaben zu übergeben. 10,5 Jahre in einer Firma neigen sich dem Ende und wollen erinnert werden.
Ich wundere mich immer wieder darüber wie es mir gelingt nach außen eine Ruhe auszustrahlen, die nicht wirklich ein Abbild meines Inneren darstellt. Die Erwartungshaltung vieler Freunde, aber auch der Familie „Das schaffst du schon“ führt eher dazu, mich immer mehr ins Schneckenhäuschen zurück zu ziehen und weniger über meine wirklichen Gedanken zu berichten.
Thomas ist beruflich stark eingebunden; Kontakte im Privaten bahnen sich zierlich an.
Viele neue Personen kreuzen unseren Weg und schaffen eine Art von Verbundenheit. Dennoch folgt nach jedem kurzem Hoch ein mittleres bis schweres Tief. Die Einsamkeit bzw. das Empfinden dieses Zustands lässt sich nicht aus dem Gemüt streichen, sie will gelebt und erlebt werden. Sie ist stark, behindert und vermittelt ein Gefühl von Alleinsein und verleitet auch dazu, alles bisher Unternommene in Frage zu stellen. Mitunter treibt es die Einsamkeit so weit, dass man nur noch in sein Nest will, zurück zu allem und unter tauchen. Der Verstand hat zu tun und gewinnt dabei auch mal die Oberhand.

Down Under

Fakten: Die Berliner Wohnung ist dank guter Geister und Manneskraft renoviert; unser neues Auto ist wieder heil und sieht besser aus vorher; der Wasserzufluss zur Waschmaschine ist hergestellt; die Jalousien im neuen Haus sind angebracht; die Möbel sind immer noch auf dem Meer; die Abfertigung des Containers im Hafen und diverse damit verbundene Maßnahmen sind von uns zu organisieren.
Neuigkeiten: Häuser kosten im Schnitt 450.000 $, die meisten Australier haben ein eigenes Haus und sind hoch verschuldet; es gibt keine Kredite zu einem Festzins; wird der Leitzins nur um 0,25 % erhöht, bedeutet dies für einige das Aus; dafür erhält man einen so großen Kredit ohne Eigenkapital und Sicherheit. Es hat den Anschein, dass Australien somit seine Einwohner an sich bindet. Perth ist mittlerweile die zweitteuerste Stadt Australiens, die Haus- und Grundstückswerte verdoppeln sich beinahe jährlich. Glück dem, der sich vor vielen Jahren dort ein Häuschen gebaut hat. Pech dem, der immer noch Mieter ist.

Wednesday, August 2

Alltag

Thomas in Australien schlägt sich durch.
Die Arbeit ist stressig und druckbesetzt. Die Mechaniker vor Ort fahren ein gewöhnungsbedürftiges Tempo. Sprachliche Auseinandersetzungen sind auszubauen; die Sprache hakt noch. Der oberste Chef bekundet Interesse und Sorge um Thomas. Sogleich hat er dann auch orgnaisiert, dass Thomas in die leere Wohnung eine Couch, eine Waschmaschine und Barhocker gestellt bekommt. Die Abholung unserer Möbel vom Hafen wird ebenfalls von der Firma organisert; ein Firmenwagen während der Reparatur unseres Autos zur Verfügung gestellt. Das hat Gänsehautcharakter und macht einen Moment von vielen leichter und angenehmer. Dennoch meldet sich das Heimweh; die Sehnsucht nach Geborgen- und Vertrautheit. Ein nicht zu unterschätzendes Gefühl, dass den Kloß im Hals ausmacht und täglich zum Vorschein kommt.

Regina in Berlin organisiert die Abwicklung der Wohnung, schlägt sich mit dem Internetzugang rum und vermisst Thomas.
Um alles ein wenig zu verkürzen, habe ich nun auch entschieden, bereits Ende Oktober nach Australien zurück zu gehen. Ein Leben aus dem Koffer kann ich nicht mehr lange aushalten. Ich komme mir wie zu Uni-Zeiten vor. Ein kleines Auto, mit stetig roten Warnlampen, die nicht ausgehen wollen und den Adrenalinspiegel im Verkehr zum Kochen bringen; eine Matraze, die allmählich Rückenschmerzen verursacht; ein Teller, eine Tasse, ein Messer, ein Glas - weniger als mein Startgeschirr zu meinem ersten Studium. Hat alles was und macht das ganze Abenteuer noch intensiver, reicht aber jetzt schon.

Berlin kühlt langsam wieder auf Normaltemperatur runter und Perth regnet sich ein. Gutes Wetter für die bevorstehende Renovierung.