Tuesday, April 29

Klappe, die 250ste!!!

Rotwein im Blut und endlich Feierabend.

Danke den fleißigen Schreibern, die mir Mut machen, den Blog weiter zu schreiben. Macht es mir doch deutlich, dass es noch ein paar Leute gibt, die das tatsächlich lesen.

Mein Vater hat die Auszüge mittlerweile auf Rechtschreibung etc. korrigiert. So werde ich eines Tages alles in einem gebundenen Buch haben. Ach, darauf freue ich mich sehr. Danke Paps! Auch für Eure wirklich ergreifenden Zeilen zu meinem vorher gehenden Blogeintrag. Leider kann ich nicht mehr faxen, denn ich habe meinen Webzugang gekündigt. Aber Faxe empfangen kann ich immer noch.

Zur Zeit überschlagen sich die beruflichen Ereignisse und die Stimmung ist wieder auf Normallevel. Ich habe es gelernt, zu sagen, was ich denke und zu adressieren. So kann ich nun auch im englischen mehr und mehr für mich selbst einfordern. Das ist gut und hat mir lange gefehlt. So habe ich eine Situation lösen können, die mit Auslöser für meinen letzten Beitrag war. Ich bin dankbar, dass ich mich selbst disziplinieren kann, um meine Gedanken in eine annehmbare Sprache umzusetzen. Es dauert.

Die kommenden Wochen im Kalender sind ausgebucht. Im Moment laufen uns die Studenten und Mitarbeiter der Uni die "Bude" ein. Wir müssen aufpassen und auch nach außen Grenzen setzen. Immerhin ist dieser Service kostenlos und für alle anderen so selbstverständlich geworden, dass sie zunehmend Grenzen überschreiten. Wir müssen das besser kommunizieren . Unsere Rezeptionistin hat eine Menge an schlechtem Verhalten auszuhalten, wenn die Klienten nicht sofort einen Termin bekommen. Es ist wirklich unglaublich.

Ich habe gestern 10 Minuten vor meinem Feierabend eine Klientin gesprochen, die nicht in mein Büro kommen wollte, von ihrem Dozenten gebracht wurde, schlecht Englisch sprach und nicht zu hörte. So habe ich ihr verständlich gemacht, wie ungünstig es ist, vor allen rumstehenden oder rumsitzenden Personen im Warteraum ihre Situation anzuhören. Sie sprach weiter, als ob sie mich nicht hörte. Ich konnte sie aber auch nicht ziehen, so blieb ich stehen, um ihr zu zu hören. Dann erklärte ich ihr, was man tun kann und sie hörte mir nicht zu. Also bin ich etwas konsequenter geworden und habe sie aufgefordert, jetzt mir zu zu hören, nachdem ich selbiges getan habe. Meine Stimme ist wohl etwas lauter geworden. Es hat geholfen und nachdem sie begriffen hat, was ich ihr erklärte, war sie etwas beruhigter. Du meine Güte, diese Sorte von Klienten tritt mittlerweile einmal täglich in Erscheinung. Es ist beunruhigend.

Eine andere Klientin kam heute und offenbarte, dass sie ihren vierjährigen Sohn hasst. Ihre Wut ist so tief und sie ist verzweifelt. Und da saß ich, nicht wissend, wie es ist, ein Kind zu haben. Es war eine meiner besten Sessions.






Tuesday, April 22

Im Tief des Zweifels

Hier sind wir nun wieder vereint und froh, dass das so ist. Der Alltag reißt uns in die Tiefe und lähmt unsere Motivation, Arbeit Arbeit sein zu lassen.
Die Arbeit dominiert und erschöpft unsere Kraft, auch noch etwas anderes zu machen, als das. Es ist heute und es war gestern schwer, Energie zu entwickeln und vor die Tür zu gehen. Und ich ertappe mich dabei, dass ich sehnsüchtig nach Berlin schaue und gerne zurück würde in mein altes Nest, das so stabil war und uns wenig gerüttelt hat. Mal eben zum Nachbarn runter gehen, eine Flasche Wein zusammen trinken, über Gott und die Welt zu lästern, ohne Bedauern. Mal eben runter gehen und lachen, bis die Tränen kommen. Ungeplant und unverbindlich. Hier müssen wir immer fahren. Fahren, fahren, fahren. Um irgendwo etwas Spaß zu haben.
Der Kühlschrank gähnt. Vor Leere. Und somit ist auch der Spaß am Kochen heute nicht möglich. Es ist einer dieser Tage, die mir immer noch so viel Instabilität vermitteln. Auf Arbeit läuft es. Irgendwie. Es ist langweilig, ich stelle mein Können in Frage. Meine Zweitsprachfähigkeiten auch. Ich vermisse es mich auszudrücken, ohne dass es dämlich wirkt. Ich vermisse zu wissen, worüber ich rede. Ich vermisse zu lachen, wenn ich weiß worum es geht. Ich bin genervt davon, immer noch ein Außenseiter zu sein. Und ich weiß ich werde es ewig bleiben. Ich bin lahm geworden und lasse mich aus der Energie kicken, als wäre es nichts. Alles verraucht, so schnell, wie es gekommen ist. Gestern noch auf dem Baum, heute schon unter der Krone.
Ich frage mich, wie es wohl wäre, wieder in Berlin zu sein. Wäre es wirklich besser? Anders ganz sicher. Würde ich fröhlicher sein, hätte ich mehr Energie, und hätte ich mehr Lust, meine Freizeit zu packen und zu gestalten?
Ist es ein Tief, dass ein weiteres Hoch einleitet? Sicher, denn kontrastreicher können Tage nicht sein. Ich sehne mich jedoch nach Stabilität und ich sehne mich nach Vertrautheit. Ich sehne mich nach Gemeinsamen und ich sehne mich nach der frischen Frühlingsluft in Berlin.
Doch ich weiß, es kann nicht wieder werden, wie es war. Ich weiß, dass ich das nicht zurückbekomme, was ich hatte. Und ich weiß, egal was ich tue, es wird immer anders sein. Manchmal packe ich es am Schopfe und ignoriere meine Sorgen. Und manchmal, so wie heute, gelingt mir das nicht. Was bleibt?
Das frühe zu Bett gehen und wenigstens ein gutes Buch.
Morgen wird es wieder anders sein. Oder vielleicht erst Übermorgen?

Sunday, April 13

Entwicklungshilfe

Was in den letzten Wochen passiert ist, ist nicht mehr wirklich so spektakulär, um hier fest gehalten zu werden. Der Blog hat sich mehr in ein Tagebuch verwandelt, das etwas von unserem Alltag preisgibt. Ich hadere mit mir, ihn abzuschalten. Es ist die Zeit, die ich mir nicht mehr nehme, um regelmäßig aufzuschreiben, was so los ist in down under. Dennoch hält mich eine innere Sucht, weiter zu machen, weil ich selbst davon profitiere. Ich würde mein Erlebtes in keiner anderen Form mehr festhalten. Ich bin zu gewöhnt daran und freue mich, wenn ich in meinem Blog blättere und nachlesen kann, was denn vor einem Jahr gewesen ist.

Manchmal verspüre ich Lust, ein Buch zu schreiben mit allen Wunderlichkeiten Australiens, über die Kommunikationskultur untereinander hier, um die Lücke der Verantwortung, über den geringen Selbstwert, über das Prollverhalten, über Stillosigkeit, über schlechten Service, über die „Unendlichkeit“, über Kontrolle, und und.

Mein Tag ist gefüllt. Weiter mit so unterschiedlichen Klienten, weiter mit diversen unterschiedlichen Workshops und Vorträgen. Voll mit einigen Klienten, die regelmäßig einmal wöchentlich oder vierzehntägig kommen. Und nun endlich auch mit einigen Zeitblockern, die ich mir nehme, um Mediationen vorzubereiten bzw. Termine dafür anbieten zu können.

Ich habe gerade zwei Mediationsfälle zu begleiten. An der Rezeption ist es keine Frage mehr, wer das bei unserem Service macht, wenn Anfragen diesbezüglich rein kommen. Sie werden alle gleich an mich weiter geleitet. So bekomme ich mehr und mehr tiefe Einblicke in eine ungesunde Umgangskultur, die größtenteils nur Lösungen anbietet, die ein entweder oder beinhalten. Schwarz oder weiß. Halt durch oder geh. Viele Mitarbeiter sind überfordert und überwältigt von einer Hierarchie, die wenig Spielraum zulässt. Es ist ein durchgestyltes Mikromanagement, dass keinen Raum für Flexibilität anbietet sowie auch keinen Raum für Eigenverantwortung schafft. Und so halten sie tagtäglich durch, jeder auf seinem Posten, jeder in seiner Position, jeder in seiner Hierarchie. Die Aufteilung in akademisches und nicht akademisches Personal reizt meines Erachtens das Misstrauen bis aufs Äußerste.

Zwischen einem Team und einer Direktorin gibt es seit 6 Monaten einen Konflikt, der zu Beginn von Missverständnissen genährt war und nun zu einem aufgeblasenen stark eskalierten Grad zutage tritt. Tränen, Verletztheiten, Sprachlosigkeiten und Erwartungen. Misstrauen und Bandelaien wollen jeden Tag genährt werden. Die Business Managerin dieser Fakultät sucht Kontakt zu mir und erzählt von dieser festgefahrenen Situation. Sie sieht den Eskalationsmechanismus, sie trifft jeden Beteiligten und weiß, dass es nur noch ungesund ist. Sie ist relativ neu an der Fakultät und will, dass da was gemacht wird, um Mitarbeiter zu halten. Ich empfehle, dass sie den Kollegen dort anbieten kann, mit mir in Kontakt zu treten. Mittlerweile habe ich alle Beteiligten einzeln gesprochen und ein gutes Bild von dem, was da vor sich geht. Ohne eine dritte unparteiische Person gibt es tatsächlich nur noch ein entweder aushalten, krank werden oder kündigen. Der Konflikt spielt zwischen Hierarchien, was es schwerer macht, den beteiligten Personen schwer macht, Vertrauen in eine Mediation zu legen. Mein Angebot, das ich zur Vorgehensweise angeboten habe (führe ich hier nicht an) hat für mächtige Unruhe gesorgt. Angst beherrscht die Schlüsselpersonen, die sich nicht alleine in der Mediation begegnen wollen. Ein zusätzliches Krisengespräch mit einer Beteiligten und sechs Telefonaten mit ihr und der Direktorin sowie Emails etc. führten am Ende dazu, dass sie erstmal zusammen zu mir kommen. Es war Schwerstarbeit und ich habe das Gefühl, dass das erst der Anfang ist.

In einem anderen Konflikt handelt es sich um zwei Kolleginnen, die auf gleicher Ebene arbeiten, also ohne Hierarchien. Auch diese Beiden habe ich zunächst einzeln getroffen. Sie haben beide zur Mediation zugestimmt, ohne dass ich große Überzeugung leisten musste. Eine kleine Anekdote aus dem Konfliktpotenzial: Die eine Kollegin hält zu jeder Mittagszeit einen ein Stundenschlaf unter ihrem Schreibtisch. Eingekuschelt in ihre Decke erwartet sie Ruhe drum herum. Somit muss die Andere ruhig sein, den Raum verlassen oder still sein. Als ich das hörte, wusste ich nicht, ob ich entsetzt war oder einfach nur lachen wollte. Leider ist das nur ein kleiner Teil des großen Konflikts. Schade, es wäre zu einfach gewesen, hierzu eine Lösung zu verhandeln.

Ein Freund traf es auf den Punkt, als wir uns über dieses und andere Ansichten zum Thema Konfliktkultur etc. unterhielten. Wie sagte er so schön? "... na dann leistest Du ja Entwicklungshilfe." Zum Glück werde ich wenigstens dafür bezahlt.