Saturday, November 24

Machtwechsel

Australien hat gewählt. Für einen Machtwechsel. Gegen einen seit 11 jahren amtierenden Howard und seiner Partei. Kevin Rudd heisst der neue und ist mit 50 Jahren zum ersten Mal in seinem Leben in einem Amt, dass ihn als Führungspolitiker handeln lässt.

In Australien besteht Wahlpflicht. Wer dieser beim ersten Mal nicht nach kommt muss 250 Dollar zahlen, und wenn ihm das bei der erneuten Verletzung seiner Wahlpflicht noch einmal passiert, dann kann es auch eine Haftstrafe geben.

Das ist der sechste Regierungswechsel seit dem zweiten Weltkrieg. Howard (lLiberals) hat sogar in seinem eigenen Landkreis verloren. Das ist einem anderen 1929 mal passiert. Er hat seine Abschiedsrede fair und ohne Groll gesprochen. Seine Frau, Söhne und Schwiegertochter standen neben ihn. Ein ungewohntes Bild. Auch Rudd (Labor) hat seine Antrittsrede mit seiner Familie neben ihn, zwei Söhne, eine Tochter und der Schwiegersohn, gehalten. Auch er hielt keine Schimpftiraden.

Nun soll es in die Zukunft gehen. Ob das nun was mit einem Regierungswechsel zu tun hat? Man kann sie ja sowieso nicht vermeiden. Nein, es soll besser in der Zukunft werden. Den Wirtschaftskurs von Howard will er weiter verfolgen, denn die Arbeitslosigkeit ist auf einem Rekordtief. Bildung, Klimaschutz, Abzug der Soldaten aus dem Irak, Haltung zur USA sind die Schlagworte.

WESTAUSTRALIEN
Die Liberals haben mehr Stimmen bekommen als die Labor! Dabei haben Labor und die Grünen mehr Stimmen bekommen, als bei der letzten Wahl. Die Liberals verloren ein paar Stimmen.
Aktuell: 3 Sitze für die Liberalen, zwei für die Labor, eine für die Grünen. Bei einer bisherigen Stimmzählung von ca. 72 %.

In Tasmanien und in der Hauptstadt haben die Grünen über 13% bekommen. Ansonsten hält sich wie bei uns in D. Zwei große Parteien liefern sich ein Rennen und dann folgt der Rest. Irgendwo.

Gewartet wird auf das endgültige Ergebnis. Denn es sind noch längst nicht alle Stimmzettel gezählt, die per Briefwahl eingegangen sind. Am Gesamtergebnis für Australien werden sie kaum was ändern. Aber in den einzelnen Bundesstaaten könnten sie evtl. noch einen Einfluss auf einen Prozentpunkt mehr oder weniger haben.



Wednesday, November 14

Final sessions

Mein Terminkalender lichtet sich und damit bin ich mitten drin im Abschließen diverser "Fälle".

Die Therapie von Esstörungen habe ich heute meinen Kollegen in einem Vortrag mit neuesten Ansätzen vermittelt. Abgehakt. Ein Workshop noch, dann packe ich mein Büro ein, bevor ich mein neues (aber erst in zwei Monaten) wieder beziehe.

Der Abschied von Klienten, die ich 10 Sitzungen begleitet habe, fällt mir nicht leicht. Es ist zu spannend, was sich da alles bei den Klienten bewegt hat und wie sie sich nun ohne Unterstützung durch ihr eigenes Leben kämpfen müssen. Ich würde gerne Mäuschen spielen und so naiv bin ich nicht, dass sie nun "geheilt" auf alle Ewigkeit sind.

Ich bin zufrieden mit den finalen Sitzungen. Es gibt einiges an Fortschritten. Und vielleicht werde ich die ein oder den einen nächstes Jahr wieder sehen. Die Aufarbeitungen am Ende zeigen teilweise einen Verlauf, der mir während der Sitzungen nicht so bewusst war. Was für Lebensgeschichten sich dahinter verborgen haben. Und letztendlich handeln sie alle vom Umgang mit dem vermissten Glück, den traurigen Lebensphasen, oder Brüchen.

Wie es in meinem Leben auch passiert. Der Umgang mit fremden Gefühlen. Der Umgang mit Trauer. Der Umgang mit einem Lebenswechsel. Der Umgang mit Oberflächlichkeit. Der Umgang mit Einschränkungen. Der Umgang mit der Ferne. Der Umgang mit dem Hier. Und der Umgang mit der Zukunft. Und was ist mit der Vergangenheit?

Leben ist ein Geschenk, dass ich nur auszupacken verstehen muss. Manchmal zerbricht es schon, wenn ich am Faden ziehe, um es aufzumachen. Oder das Papier beginnt zu reißen. Der Klebstoff bleibt hängen. Die Enthüllung kann überfordernd sein. Muss ich mich bedanken, wenn es mir gerade nicht gefällt? Kann ich es zurück geben, wenn ich es nicht haben will? Oder kann ich es gerade verstecken, wenn es nur mir gehören soll? Ein Geschenk, dass mir unterschiedlich bedeutsam und wertvoll erscheint. Je nachdem, von welcher Seite ich es betrachte. Und es birgt immer wieder eine Überraschung. Wenn ich weiß, wie ich es wenden kann.

Es vebindet, oder trennt. Macht mich einsam, oder zweisam. Als Symbol ist es mitunter nicht fassbar. Oder es ist nicht zu tragen, weil es zu schwer ist? Wenn ich es teile, kann ich mich mehr oder auch weniger freuen. Wenn ich es nicht will, weiß ich nicht wie ich mich davon trennen kann. Wenn ich es halten will, weiß ich nicht wie. Schaue ich von oben drauf, weiß ich nicht was darunter ist. Schaue ich von der Seite hin, weiß ich nicht was dahinter ist.

Und schaue ich egal von wo, weiß ich immer noch nicht was drinnen ist. Groß kann es ein und so winzig im Inneren. Winzig kann es sein und doch so groß, dass es nirgendswo rein passt.

Passt es zu mir, oder zu dem, von dem ich es bekommen habe? Gelingt es mir, es zu meinem Eigen zu machen? Frage ich mich, wie ich damit umgehe, wenn ich mich dafür entschieden habe? Wenn ich mich dagegen entschieden habe, kann ich es dann nicht mehr zurück bekommen? Oder nur in abgewandelter Form.

Verstaubt es, wenn ich es nicht berühre? Oder zerbricht es, wenn ich es täglich anfasse. Kommen mir lauter Einzelteile entgegen, oder ist das Ganze so groß, dass ich nicht weiß, wo ich beginnen soll? Bin ich gelangweilt, wenn es offen ist und vermeintlich alles raus ist? Bin ich gefordert, wenn ich einen Rest verstecke?

Ist es das Finale das, wenn ich entkleide, oder, wenn ich es wieder einstecke? Bekomme ich das Gleiche, wenn ich es wieder raushole?

Das nehme ich von den Abschieden mit und beschäftigt mich in diesem Zusammenhang. Ich bin erleichtert, wieder in alle Richtungen sehen zu wollen.




Tuesday, November 13

Gebrochenes Herz

und Traurigkeit über einen schmerzenden Verlust.

Ich schicke Dir gute Gedanken. Wohin? Vielleicht in den Himmel. Vielleicht in ein neues Leben. Vielleicht zu Deiner Seele.

Du wirst uns erhalten bleiben. In einer Form. Die wir nicht wirklich verstehen. Aber fühlen. Unsere Erinnerungen und Gedanken lassen Dich weiter bei uns sein. Wo auch immer Du jetzt bist.



Unser Kontakt ist rar geworden. Doch das verbundene Gefühl zu Dir, meiner Lieblingstante, ist immer da gewesen. Sorglos bis heute. Traurig ab jetzt.

Dein Herz war gebrochen, einmal mehr über den nicht lange her schlimmen Verlust. Wenn ein Kind vor der Mutter geht. Dann kann das Warum niemals beantwortet werden. Nun bist Du ihm gefolgt und hast ihn hoffentlich wieder in Deinen Armen. Ich wünsche es Dir.

Meine Karte hat Dich nicht mehr erreicht. Sie hätte nichts geändert. Aber mir wäre leichter, wenn wir ein letztes Mal auf diese Art im Kontakt gewesen wären.

Ich wünsche Dir ein Meer von Blumen, eine unendlich wirkende Ruhe. Und. Sorglosigkeit.

Über Nacht ändert es sich. Das Leben. Es nimmt Abschied, ohne dass er sich angekündigt hat. Plötzlich und unerwartet sind Deine Nächsten geschockt und stehen vor der schwersten Aufgabe des Lebens. Trauern und einen Verlust bewältigen, der niemals wieder ausgeglichen werden kann.

Vielleicht weisst Du gar nicht, dass Du meine Lieblingstante warst. Ich habe es Dir nie gesagt.

Du, mein Lieblingsonkel, ich schicke Dir all meine Anteilnahme. Sie wird Dich nicht trösten. Ich umarme Dich dennoch aus der Ferne. Und lass Dich wissen, dass Du mein Lieblingsonkel bist.

Eingebrannt seid Ihr beide in meinem Kopf und so eng verbunden mit meiner Kindheit. An die ich mich sonst nur sehr schlecht erinnern kann.

Lass Dich stützen, an den Abenden und Nächten bist Du allein genug! Sei gewiss, dass viele Deiner engsten Verwandten und Freunde bei Dir sind.

Schwitzen bei über 39 Grad

und heißem Wind. Der Temperatur Regler ist abrupt umgesprungen und bescherrte uns in den letzten Tagen überaus heißes Wetter. Lange ersehnt, von Wolken und Regen befreit zu werden, ist das dann schon wieder zu viel. Das Gestöhne geht bereits los.

Die flimmernde Hitze lässt alles erlahmen, Bewegungen außerhalb klimatisierter Räume werden zu sportlichen Ereignissen, wenn man das ausgeschwitze Wasser auf der Haut interpretiert. Schwitzen ohne Sport und ohne Anstrengung. Wer noch denken kann, weiß das man nicht stolz auf sich sein muss.

Am gestrigen Abend dann der plötzliche Umschwung der Windrichtung, die die lang ersehnte frische Briese zu uns trägt. Ein Aufwind, der mich atmen lässt und raus lockt. Jetzt ist es wirklich möglich, sportlichen Dingen nachzugehen.

Aufgerafft und am Meer den Tag ausklingen lassen. Was für ein herrliches Gefühl. Beim Laufen denke ich an Reaktionen eines meiner Blogs und an unsere Zeit, als wir her gekommen sind. Wir haben uns gerade in den ersten Wochen immer wieder gefragt, wo wir sind. Und wir haben geantwortet: In Australien. Ein Strahlen begleitete diese Worte und es ist immer noch da!

Und es hat immer noch eine große Bedeutung für mich. Ich in Australien. Und irgendwie erscheint es nicht mehr so weit weg von der Heimat. Ein gutes Gefühl. Das Leben bekommt einen Rhythmus. Und ich freue mich wahnsinnig auf meine freien zwei Monate.

Ich bin in Australien. Vor zwei Jahren war das irgendwie noch unvorstellbar, obwohl wir zu dieser Zeit schon wieder mit dem Gedanken gespielt haben, diesen mutigen Schritt zu wagen. Jetzt ist das unsere Geschichte, die ihren Lauf nimmt.

Und liebe Blogfans. Traurigkeit gehört zum Leben. Sie auszudrücken ist nicht gerade einfach. Und es macht einen manchmal noch schwerer, wenn man sie dann ausdrückt. Aber es hilft und ist für mich ganz wichtig. Weiß ich doch, dass danach auch immer wieder Glücksgefühle präsent sind.

So bin ich traurig, dass Thomas nicht hier ist und freue mich schon auf den Abend, wenn ich ihn wieder abholen kann. Das hilft mir, die Zeit zu überbrücken und in mich hinein zu lauschen. Ich kann mich wohl nicht daran gewöhnen, alleine zu sein. Das ist mir deutlich geworden. Alleine, ohne Dich.

Das Leben ist eine Herausforderung und geht nicht irgendwie so. Es hat alles eine Bedeutung und neben der gelebten Leichtigkeit auch eine Schwere. Ich bin froh darüber, diese Spannung zu erleben und zu erkennen. Und nicht einfach so dahin zu schwimmen.

Ich will hier jetzt nicht Schadensbegrenzung zu meinem Blog (ein paar vorher) vornehmen. Alles, was ich geschrieben habe, drückt mein Dasein aus. Und das gehört zu mir. Ich habe es abgewehrt, über 37 Jahre lang und es gefunden, als ich 38 wurde. Die Zeit zum Aufarbeiten und Anerkennung will genutzt werden. Und ich will es nutzen, um fest zu halten, dass ich nicht mein ganzes Leben oberflächlich war. Mein Nach vorne sehen hat mich abgelenkt, von meinem Blick nach innen. Ich bin noch ungeschickt, das zu tun und deshalb wohl im Beschreiben extrem. Letztendlich ist es aber ein Extrem für mich. Und es trifft diesen Lebensabschnitt, für den Thomas und ich uns entschieden haben. das Leben bleibt eine Herausforderung. Manchmal ist alles wie eine Geburt. Und die passiert nicht immer in Sekunden, oder Stunden.

Noch 9 Tage bis ich frei habe und noch 12 Tage, bis Du wieder hier bist.

Sunday, November 11

Weintrauben

Unwichtiges aus dem Lande der australischen Bevölkerung. Trotz schlechter Ernte liegen die Weintrauben zum Kaufe in den Obstständen aus. Bevor wir zugreifen sehen wir lieber auf den Preis. 24,95 Dollar das Kilo! Die Kirschen, die frohlockend im roten Mäntelchen ein Platz daneben haben, können das als einzige Frucht toppen. 34, 95 Dollar.

Eine ganz kleine Traube schafft es an die Kasse und wird befreit für ca. 6,30 Dollar. Doch nicht lange. Mittlerweile ist sie bereits vertilgt. Und nun heißt es Warten auf bessere Zeiten und Preise.

Draußen haben wir 32 Grad, für heute stehen 38 Grad auf der Temperaturvorhersage. Der Wind ist sehr warm und vermittelt das Gefühl eines ständig laufenden auf Höchststufe gestellten Fön. Drinnen ist es doch angenehmer. Doch hier sitzen und raus zu sehen, macht ein schlechtes Gewissen. Draußen reichen 10 Minuten, um wieder in den Schatten zu gehen. Und so schlage ich mich zwischen ja/nein am Sonntag durch die Zeit. Es ist ja nicht der einzige Tag, an dem es warm ist. Die Woche wird so bleiben. Juhu.

Thomas friert in Berlin und wärmt seine Seele bei Freunden. Stabiler Faktor in Berlin und zuverlässig wie immer, sind unsere Exnachbarn. Ach wie toll, dass es sie (dass es Euch) gibt. Eine SMS aus Berlin signalisiert dennoch Freude, wieder nach Perth zu kommen. Wer schon einmal hier war, weiß warum.

Unsere Untermieter haben sich gut ein gelebt und ich bin froh, dass sie hier sind. Es ist wirklich bezaubernd mit anzusehen, wie sie sich mit allem Neuem auseinandersetzen müssen, vom Haus mieten, über Bank, hin zur Versicherung. Für mich ist das schon lange her und es frischt so manche Erinnerung auf.

Mittlerweile haben wir wieder acht Stunden Zeitverschiebung, was den Kontakt zur Heimat nicht einfacher macht. Nach vielen Tlefonaten in der vorletzten Nacht war ich morgens vollkommen durcheinander und wusste nicht mehr, wann ich mit wem telefoniert habe. Es ist verwirrend.

Im Hintergrund wirbelt die Waschmaschine die Sachen umher und versucht dabei auf dem Boden zu bleiben. Mein Blick geht auf unsere überdachte Terrasse nach draußen. Mein Kopf ist schon wieder vorauseilend in Gedanken und mein Körper macht sich schwer. So werde ich wohl in diesem Sonntag verweilen, mit diversen unterschiedlichen Hintergrundgeräuschen und morgen meine letzten zwei Wochen an der Uni beginnen.




Friday, November 9

Wenn alle kommen

Klient, 45 Jahre alt, Australier, Vater. Von einem 11jährigen Sohn, geschieden, mit einer neuen Partnerin lebend, ist ein Quäker (weltweite Organisation, die sich für Menschenrechte etc. einsetzt), kommt zum zweiten Mal, ist durcheinander, und fühlt sich in einer Falle. Sein Sohn hat mit ihm und seiner neuen Partnerin zusammen gelebt, nachdem es bei der Mutter nicht mehr ging. Mit der neuen Partnerin und dem Sohn geht es aber auch nicht. Sie hat ihn physisch verletzt, so sagt zumindest der Sohn, und ging zur Mutter zurück. Die Mutter fährt alle Geschütze auf und hat dem Gericht bereits ihren Report abgegeben. Die Child Protection klopft an der Tür, jetzt wird es schwierig, einen guten Weg zu finden. Die Beziehung zwischen Sohn und Vater ist belastet. Der Sohn wirft dem Vater vor, ihn im Stich gelassen und dieser Bitch (Hexe) überlassen zu haben. Der Vater weiß gar nicht wie er sich verhalten soll und hat jetzt erstmalig Symptome eines Asthma entwickelt. Die Luft zum Atmen ist begrenzt, der Husten kommt unangemeldet. Was will er, der Vater, und wie. Wie kann er zu sich selbst finden und wie diese Situation lösen. Ausziehen und seine Partnerin verlassen, mit dem Sohn eine neue Unterkunft suchen, das ist nicht bezahlbar. Ihn nur sehen, wenn der Sohn ihn eben braucht und mal anruft, ist auch nicht die beste Lösung. So viele Fragen. Mediation ist organisiert, viele unterschiedliche Service sind in Gang gebracht.

Sie hat Angst vor ihren Prüfungen, schon vier Wochen, nachdem die Termine raus sind, beginnt diese Angst, die sich in Albträumen und Panickattacken niederschlägt. Sie beginnt ihr Lernen aufzuschieben, immer weiter nach hinten und ist besorgt darüber. Was ist das nur, wo kommt diese Angst her und vor allem wie kann sie damit umgehen. Fragt sie, 21 Jahre alt, die mit ihrem Vater nur wenig kommuniziert, schon gar nicht über emotionale Dinge spricht. Wenn er um sie ist, spürt sie ihre Anspannung und ihr Herz schneller schlagen. Ihre Mutter bildet eine Brücke und ist Kanal der Kommunikation zwischen dieser jungen Studentin und ihrem Vater. Ihre Geschwister sind fein raus und im Beruf. Sie haben das alles schon hinter sich. Eigentlich wollte sie Kunst studieren, nun arbeitet sie täglich mit Zahlen im Studium, um im Finanzbereich arbeiten zu können. Sie träumt viel und hatte mal einen Unfall, als sie fünf Jahre alt war. Sie erinnert sich bruchstückhaft, vor allem daran, dass ihr Vater damals am Bett im Krankenhaus stand. Und sie da hat ihn das einzige Mal singen hören.

Eine Kunststudentin kommt ebenfalls zum zweiten Mal, sie steht kurz vor ihrem Auszug aus dem Elternahus, ist die älteste von vier Kindern im Haus. Sie will raus. Sie schwiegt viel, und kann kaum in Worte fassen, was sie wirklich fühlt. Es überanstrengt sie nicht, das Studium. Sie kann alles und doch kann sie sich nicht mehr motivieren. Ihre Energie ist verbraucht. Ihre Verzweiflung klebt die Stimmbänder zusammen. Vor mir sitzt eine überaus gebildete und interessante junge Studentin, die sich nichts sehnlicher wünscht, als Kunst zu studieren. Sie glückliche. Wie viele sehe ich, die das nicht dürfen, weil die Eltern gegensätzliche Vorstellungen haben. Sie ist hoch angespannt, ihre Worte kommen stockend, sie bewegt sich steif. Da ist etwas, worüber sie nicht sprechen kann. Ein auferlegtes Tabu, dass sie davor schützt, der Wahrheit zu begegnen. Im letzten Jahr war alles ganz anders, abrupt hat sich hier Leben und haben sich ihre Emotionen geändert. Sie schwimmt, und ich mit ihr.

Dreimal haben wir uns diese Woche gesehen. Am Dienstag noch wollte er sich das Leben nehmen, am Donnerstag hatte er es noch nicht geschafft, sich vor seinen Eltern zu outen. Er ist Moslem, streng gläubig, in der Mitte von 5 Geschwistern geboren. Nie ist er aufgefallen. Er mag es, wenn er anderen Leuten etwas Gutes tun kann. Vor allem seinen Eltern. Er studiert Chemie und ist im letzten Semester. Er mag nicht mehr, ist enttäuscht von seiner Wahl. Alle sind stolz in der Familie, dass er in ein paar Wochen sein Zeugnis in der Hand hält und seine Karriere beginnt. Er beginnt zu lügen, nicht mehr zur Uni zu gehen, nur noch zu feiern und fühlt sich schlecht. Wie soll er das nur seinen Eltern sagen. Er hat sie nie enttäuscht. Heute morgen hat er es geschafft und ist unendlich erleichtert. Nächste Woche kommt er wieder. Seine Zukunft planen.

Zu allerletzt kommt sie. unvermittelt. Ich habe sie heute morgen in meinem Terminkalender gesehen, ich dachte, dass sie nie wieder kommt. Ich habe wohl schon über sie berichtet. Das erste was sie tat, als sie in meinem Büro war. Mich zu umarmen und ganz fest an sich zu drücken. Ich war erschrocken, doch dann begann sie zu weinen. Trost und Halt fehlen ihr. Ich gebe es ihr gerne. Sie strahlt, als ich ihr sage, dass ich im Februar wieder komme. Sie ist wirklich in einer Zwickmühle. Leid tut sie mir nicht, aber ich habe dennoch Mitgefühl.

Tuesday, November 6

Melbourne cup, schoene Huete und viel Geld

Ein Jahr in Australien. Es kommt mir länger vor. So viel ist passiert. Beruflich habe ich mich weiter entwickelt und gute Aussichten für das kommende Jahr. Im Februar 2008 werde ich an gleicher Stelle, gleiche Uni weiter arbeiten können. Ein Angebot, das mich zur rechten Zeit erwischt und meine Stimmung hebt.

Heute war das Pferderennen in Melbourne (ich habe bereits im letzten Jahr einen Blog dazu geschrieben, Tuesday 07.11.2006). Gestern habe die Verkäuferinnen bereits Hut getragen. Heute haben wir alle etwas zu essen mit gebracht. Zu trinken gab es Champus.

Mit einem wundervollen Buffet, guter Laune und selbsterverständlich einem Hut auf dem Kopf haben wir 1,5 Stunden zusammen gesessen, geschlemmt und das Super Race gesehen. Ich habe mich wohl gefühlt und irgendwie angekommen. Sicher hat das auch damit zu tun, dass ich weiß, dass es dort weiter gehen wird. Den roten Hut hat mir eine Kollegin gebastelt. Ich habe dafür kein Händchen. Wir haben wirklich lustige Bilder machen können. Mein Chef outete sich als Potter fan mit einem riesen Zauberhut auf dem Kopf. Er ist schon etwas abgedreht. Wenn man nicht wüsste, dass er der Chef eines so großen Service ist, man würde es nicht erkennen.

Thomas ist im Landeanflug auf Hamburg und hat mal wieder einige Kilometer abgerissen. Während ihn Kälte und Regen erwarten beginnt es hier richtig warm zu werden. Ich drive mit meinem kleinen Mietauto durch die Gegend. Unser Auto wird erst in drei Wochen wieder fahrbar sein (hoffentlich). Wie wohl schon geschrieben, hätte ich so lange nicht ohne Auto sein können.

Sunday, November 4

Irgendwas auf dem Weg zum Etwas

und immer noch nicht erprobt im Abschied nehmen. Thomas fliegt nach Europa und ich verbringe die erste Nacht in meinem angebrochenen zweiten Jahr alleine in Australien. Im Gegensatz zum letzten Jahr bin ich fest eingebunden in meinem Job, der ab Februar 2008 weiter gehen wird. Eine Perspektive, die mich hoffen lässt. Kann ich ab Ende November erstmal wieder Energie tanken.

Dieses Jahr hat mich so viel Kraft gekostet, ich stoße immer noch täglich an meine Grenzen. Herausforderungen, wie ich sie davor lange nicht hatte, jagen sich und ziehen Strom, der unbezahlbar wird. Ich habe so viel erleben dürfen und bin in der Summe mit allem zufrieden. Noch vor einem Jahr habe ich nicht mal eine Idee davon gehabt, wie es wohl sein wird, wenn das erste Jahr rum ist. Geschweige denn, wo ich wohl sein werde. Beruflich habe ich mich weiter entwickelt und bin alles in allem zufrieden mit den Chancen und Herausforderungen. Zwei stehen mir nun noch bevor in den kommenden Wochen. Dann darf ich mich entspannt zurück lehnen und tanken gehen.

Noch vor einem Jahr habe ich niemals gedacht, meine Schwester und meine Mutter hier bei mir zu Besuch zu haben. Noch vor einem Jahr habe ich nicht daran gedacht, wie schwer es bleiben wird, immer wieder Abschied zu nehmen. Noch vor einem Jahr habe ich nicht geglaubt, irgendwas in beruflicher Hinsicht auf die Beine zu stellen. Noch vor einem Jahr habe ich nicht geahnt, dass ich so viel in mir entdecke.

Ich Grundoptimist, ich beginne die Gegenseite kennen und begreifen zu lernen. Meine strikte Weigerung, auch nur einen Schritt in diese Dunkelheit zu gehen, habe ich aufgegeben. Ich konnte es nicht mehr leisten, dagegen anzukämpfen. Es ist kein Pessimismus, es ist eher das depressive Empfinden, das ich nie zuvor hatte. Mein innerer fight against it hat verloren. Ich betrachte es nicht als Niederlage, eher als persönliches Fortkommen. Zum Leben gehören beide Seiten. Es ist eine Frage meiner inneren Balance.

Im Moment bin ich wakelig. Auf den Beinen. Ich habe die Gerade noch nicht ziehen können. Das es zwischendurch kippelt, begrüße ich. Das Ungleichgewicht, entgegen meiner mir bisher vertrauten Gefühle, kann ich nur schwer meistern.

Mit einem Bein auf der Couch liegt bei mir am Bett, das Buch, das ich mit einem persönlichen Beitrag von mir bereichern durfte. Ich erinnere die Überschrift "Auf der Suche nach Etwas". Ich suche immer noch, und habe schon irgendwas mehr gefunden. Mein Kontrollzwang herrscht und kämpft, meine dunkle Seite wird mächtiger. Sie holt sich Energie. Von wo, weiß ich nicht.

Das Irgendwas füllt sich mit Leben, wenn ich dem auch noch keinen Namen geben kann. Es nimmt diffuse Konturen an. Meine Motivation ist im Irgendwo zwischen dem Unter- und Erdgeschoss stecken gebleiben. Mein Körper ist steif und faul geworden. Meine Konzentration ist auf Reise. Wohin auch immer. Meine Freude ist selten Gast. Ich lache nicht. Ich weine nicht.

Ich überlebe noch.

323 im Ziel und schon wieder in der Luft













Zum zweiten Mal fand das Anaconda Race statt. Kräfemessen im und auf dem Wasser, per Fuss und mit dem Fahrrad. Team 323 ist geschafft, aber unerverletzt, nach 5 Stunden und 15 Minuten ins Ziel gekommen.

Am Tag davor haben sich alle registrieren lasssen. Auf den Start kommt es an. Die Kanuten lösten die Schwimmer ab und waren, wie zu sehen ist, bunt vertreten. Dank einer durchaus relaxten Raceleitung konnten auch alle Zuschauer in die Wechselzonen und jedem Schwimmer nach Ankunft den Weg weisen, der seinem Kanuten das Teamshirt und die Zeitmessung übergeben musste.



Draußen auf dem Meer tobte dann sicher ein ganz anderer Kampf. Aus dem Kanu kippen, und wieder rein steigen. Weit entfernt am Horizont breechen die Wale den Ocean.




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