Sunday, July 2

Sich nicht fremd fühlen

Die Sonne ist unter gegangen. Es ist 6.21 pm, Sonntag der 02. Juli 2006. Am Horizont ziehen die Wolken auf, die uns an diesem ersten Wochenende in Perth, Westaustralien, verschont haben. Wie bestellt schien die Sonne an diesem Winterwochende in Perth und lockte wohl jede/n Australier, Tourist, Coachpotatoe an das Meer, um sportlich aktiv zu sein oder einfach nur die warmen Sonnenstrahlen zu genießen.
Wir sind nun seit fast genau einer Woche in Westaustralien und entdecken täglich neue Dinge, über die wir staunen, uns wundern, freuen, die überraschen und die Zeit am Tag schnell vergehen lassen. Der Grund unseres Hiersein beginnt eigentlich erst morgen. Thomas beginnt mit seinem neuen Job. Der Sekt für morgen Abend ist schon kalt gestellt. Kaum zu glauben, aber wahr, wir sind gekommen, um ein neues Leben zu beginnen. Wie schwer haben wir uns im letzten Jahr mit der Entscheidung Deutschland zu verlassen getan. Das erste Stellenangebot abglehnt und die Zeit nach dieser Entscheidung gegen Veränderung bereut. Es hat nicht lange gedauert bis wir einen zweiten Versuch gestartet haben, um doch nach Australien gehen zu können. Das Ergebnis ist bekannt. Seit dem 27. Juni sind wir in Westaustralien und haben diesen Schritt bis jetzt noch nicht bereut. Sicher ist es noch viel zu früh, davon zu sprechen, dass diese Gedanken nicht aufkommen. Vielleicht haben sie aber eine andere Qualität. Vielleicht geht es nicht um bereuen oder nicht, sondern um ankommen im Hier und Jetzt. Am Strand haben wir heute in der Sonne gelegen und kurz die erste Woche rückblickend betrachtet. Eine wesentliche Erkenntnis ist: Wir fühlen uns überhaupt nicht fremd hier. Jeder wird gleich fragen: "Warum oder woran macht ihr das fest?" Ich würde das auch fragen, aber beantworten kann ich es nicht. Es ist das Gefühl. Es sind so viele Eindrücke, die wir emotional derzeit nicht beschreiben können. Thomas hat heute im Auto gefragt, ob wir stolz sein können oder ob er stolz sein kann. Das habe ich mit einem klaren "Ja, das kannst du sein!" beantwortet. Hier zu sein, haben wir gemeinsam und bewusst entschieden. Den Job zu bekommen, das war allein Thomas Werk. Das muss erstmal einer nachmachen. Das soll nicht überheblich klingen und gilt nur für diejenigen, die neidisch sind. Nicht jeder ist dazu geboren, so einen Schritt zu tun und einen kompletten Lebensabbruch bewusst herbei zu führen. Das ist auch gut so.
Am Samstag, also gestern, hat Thomas Chef angerufen (er ist seit dem Bewerbungsgespräch im letzten Jahr nun mittlerweile der "big Boss" der Firma). Er entschuldigte sich, dass er erst nach einer Woche unserer Ankunft anruft und hat uns zum Frühstück eingeladen. Heute morgen haben wir uns um 10.00 am im Hillarys Boat Habour im pinofino (ist in Italien ein Restaurant, ein Foto von dort hängt im Eingang des Restaurants) getroffen. Die Aufregung von dem Telefonat von gestern stieg heute morgen bis kurz vor zehn minutlich. Ich hatte mir schon so viele Satzänfänge in Gedanken zurecht gelegt, die ich prompt beim ersten Handschlag vergessen hatte. Was zieht man zu einem Frühstück mit dem Vorgesetzten an? Keine Ahnung, denn in Deutschland wäre das a nicht passiert und b, wenn doch, wäre schicke Kleidung angebracht. Hier wissen wir das noch nicht. Also heute morgen dann die Überraschung - keine schicke Kleidung, eher spartanisch, unauffällig und absolut sympathisch. Ich beschreibe sympathisch mit einem bescheidenen Auftreten und zurückhaltenden Gesten. Er hatte seine Frau dabei. So haben wir also 1,5 Stunden miteinander geplaudert. Schnell hatten wir die Wetterunterschiede zwischen Deutschland und Australien hinter uns gebracht und dabei noch einen Tipp für unsere Haussuche erhalten. In Australien gibt es keine Heizungen, deshalb sollten wir verwöhnten Europäer auf sogenannte "gas points" achten. Da kann man so eine Art Heizung anschließen. Auch wenn wir in Australien sind, kann es mitunter im Haus frisch werden. Manchmal ist es sogar draußen wärmer als drinnen. Wir haben dies bereits während unserer ersten Tage am eigenen Leib gespürt. Und so erhalten wir übrigens täglich irgendwelche nützlichen Tipps von Menschen, die wir gerade kennen lernen oder die uns nach dem Weg fragen. Man kommt hier sehr schnell miteinander ins Gespräch. Zurück zum Frühstück: Die Frau vom Chef bot sich an, mit mir mal einen Kaffee trinken zu gehen, nachdem ich erzählte, dass meine Planungen für die nächsten drei Wochen überschaubar sind. Ich freue mich drauf. Denn die Gespräche sind zwar super anstrengend, helfen aber schnell in die Sprache zu kommen und zu lernen. Nebenbei sei noch erwähnt, dass es schon interessant ist, egal an welchem Platz man auf der Welt ist, dass Männer sich sehr schnell über Computer, Autos und Motorräder unterhalten.
Im weiteren Verlauf des Tages haben wir es ruhig angehen lassen. Neben ein paar Stunden am Strand bei Sonne und wolkenfreiem Himmel, einem guten Buch und vielen Beobachtungen hat Thomas dann auch die Wassertaufe bestanden.
Nachdem wir ausreichend Sonne getankt hatten, hat es uns doch noch einmal mit dem Auto auf die Straße gezogen, sind den Arbeitsweg zur Firma gefahren und waren noch etwas zu essen kaufen.

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