Monday, July 17

Die letzte Woche

Unsere letzte gemeinsame Woche beginnt mit einem kurzen Frühstück und einigen Gesellen. Die zwei Delfine tümmeln sich bereits in unserer Bucht und die Kakadoos halten Ausblick von unserem Balkon auf das Meer. Die Sonne ist bereits aufgegangen und breitet ihre ersten warmen Strahlen aus und somit den winterwarmen Tag vor.
Appetit haben wir an diesem Morgen nicht wirklich, denn jetzt können wir die Tage runter zählen (5), die wir noch zusammen sind. Am kommenden Samstag trete ich meine Rückreise nach Deutschland an und ich bin zunehmend unruhig.
Das uns bevorstehende halbe Jahr wird eine weitere Herausforderung für uns werden. Thomas muss sich ab Sonntag alleine durchkämpfen und orientieren. Ich werde in eine ausgeräumte Wohnung zurück kommen, die noch renoviert werden will. Wenn es das nur wäre.

Ab September wohne ich bei meinen Nachbarn (Gott sei dank, so muss ich nicht auch noch innerhalb Berlins in einem anderen Kiez leben und habe vertraute Personen um mich herum).
Ich komme mir egoistisch vor (Familie, Freunde und das gewohnte Lebensumfeld). Thomas hingegegen hat nichts von alledem. Einsamkeit werden wir beide erleben, ob wir nun Vertraute um uns haben oder nicht. Es können noch so viele Menschen nah beieinander sein und dennoch kann sich jeder Einzelne einsam fühlen. Die Wochenenden werde ich primär bei meiner Familie verbringen. Das sind alles Fakten, die nach einem regelmäßigem Schema ablaufen. Nicht abschätzbar wird, wie lebt es sich so weit getrennt voneinander? Nicht voraussehbar ist, wie halten wir beide das aus, auch wenn wir wissen, dass es sich lediglich um 6 Monate handelt?
Dennoch tauchen zu keinem Moment die Fragen auf: Was soll das alles? Wofür diese Quälerei? Hätten wir das nicht einfacher haben können? Hätten wir nicht einfach in D bleiben und alles so lassen können? Das beruhigt; ist es doch ein Zeichen dafür, das unsere Entscheidung weiterhin stabil ist.

Der Grund für meine Rückkehr nach Berlin war zunächst ein ganz Üblicher. Sicherheit, nur kein zu großes Risiko eingehen. Einen Anker in D haben, falls etwas schief läuft hier. So hatten wir es geplant und entschieden. So machte es für uns Sinn, das Risiko auszuwandern, häppchenweise zu konsumieren. Aus heutiger Sicht ist dieser Anker nicht mehr wirklich erforderlich und unerklärbar. Wir wurden hier schon häufiger gefragt, warum ich wieder und für so lange Zeit zurück gehe? Wirklich erklären konnten wir es nicht. Häufig antworteten wir damit "It's a typical German thing."
Sicherheit wie sie in ihrer Ausprägung nicht schlimmer sein könnte. So erlebe ich es jetzt zumindest. Sicherheit ist für mich eine Falle, in die wir alle früher oder später hinein tappen und aus der wir nur sehr schwer wieder rausfinden. Sicherheit ist auch Gewohnheit. Gewohnheiten aufzugeben bedeutet, sich auf etwas Neues einzulassen, ohne dass man das Ergebnis im Vorhinein kennt. Sicherheit bedeutet auch Vertrautheit. Aber in welche?
Primär muss ich mir selbst vertrauen und wenn ich das kann, dann kann ich mich auf mich selbst verlassen. Hört sich einfach an? Grundsätzlich, ganz rational gesehen, ist es das auch. Wenn da nicht die Emotionen im Spiel wären und der volle Rucksack mit selbst gemachten Erfahrungen, mit den Meinungen anderer und den vielen unterschiedlichen eigener und Bedürfnisse anderer.
Sich frei machen von all dem kommt mir vor wie eine Geburt, die Monate, Tage und Stunden dauert. Bis es so weit ist (die Geburt), wissen wir ja alle, bedarf es einiger "Vorbereitung" und Strapazen. Und das ist eben nicht immer nur angenehm, sondern auch schmerzvoll. Wenn die Geburt vorbei ist, dann gerät das Vorhergehende in den Hintergrund und verliert an Bedeutung. Jahre später lächt man darüber und freut sich, genau diese Entscheidung getroffen zu haben.

Meine Vorstellung alt zu sein hat nun eine neue Perspektive. Egal wo ich sein werde - immer werde ich mich an dieses Jahr erinnern. Thomas und ich sitzen dann auf irgendeiner Bank (in welchem Teil der Welt auch immer), stützen uns auf einen Stock und beginnen unsere Erinnerung damit: Weißt du noch?

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