Friday, October 5

Freitag abend, kurz vor halb acht

Klientin, 33 Jahre alt, studiert im vierten Jahr Psychologie, steht kurz vor ihrem Bachelor degree, hat Beziehungsprobleme mit ihrem Partner, der eine bipolare Affektspsychose hat (auf deutsch, manisch-depressiv), es ist meine letzte Klientin heute, am Freitag, um 3 Uhr, wie immer, die Schlimmsten kommen zuletzt, mittlerweile bleibe ich gelassen, als ich sie im Wartezimmer abhole, dachte ich, dass das wohl nicht klappen wird mit uns beiden, wieder Erwarten aber dann doch, sie wurde als Kind sexuell missbraucht, hat also neben ihren Beziehungsproblemen genügend anderen Stoff, über den sie berichten kann, doch es ist heute eher Thema, wie sie mit ihrem Partner leben soll (der, wenn er manisch ist, mehre Beziehungen, oder Techtelmechtel eingeht, um danach zu gestehen und um Gnade zu bitten), nun versucht sie wieder Vertrauen aufzubauen, doch das ist schwer, außerdem ist ihr Studium das Wichtigste, sie wollte das so sehr machen (ach, da erinnere ich mich an meinen eigenen Weg), schlussendlich ging es darum irgendwo eine Lücke zu finden, damit sie wieder zu Kräften kommt, sie arbeitet 20 Stunden die Woche an zwei Tagen, das kann sie nicht ändern, denn Studium und Leben wollen/müssen finanziert werden, also doch, am Studium drehen, zumindest um einige Fristverlängerungen bitten

Klientin, 25 Jahre alt, indischer Herkunft, internationale Studentin, hat Krach mit einer ihrer Mitbewohnerinnen, bereits seit Februar, das führte so weit, dass alle ihre eigenen Freunde nichts mehr von ihr wissen wollen, ihre Mitbewohnerin hat ihrer Meinung nach alle manipuliert, nun trinkt sie (die Klientin) und schläft somit die Nächte durch und verpasst am Ende immer häufiger ihre Vorlesungen, vor 2 Wochen hat sie dann auch mit bekommen, dass sie einen Test vergessen hat und nun steht da "nicht bestanden", das heisst, dass sie die gesamte Unit wiederholen und natürlich zahlen muss, hat sie denn schon mit ihrem Lecturer gesprochen, wollte ich wissen, ja natürlich, er sagte, dass er ihr eine zweite Chance gibt, wenn sie für diesen Tag (der ca 2,5 Wochen zurück liegt) ein medizinisches Zertifikat vorlegen kann, wusste ich es doch, denn vor dem Ende der Sitzung war immer noch so ein Gefühl in mir, dass sie was anderes wollte, bevor sie mich fragte, ob ich ihr ein Zertifikat ausstelle, verdeutlichte ich ihr, dass ich das nicht machen kann, schließlich war sie vorher nie bei mir und es ist eben schon ein Stückchen her, dann sagt sie, ja es würde reichen, wenn ich einfach nur schreiben würde, dass sie hier war, ich verneinte, so hart das auch war, ihre enttäuschten Augen versuchten meiner Erklärung etwas abzugewinnen, denn letztendlich (habe ich jetzt nicht so ausgeführt) würde ihr das nicht helfen, genau das ist das Muster mit Alkoholikern, alle helfen, und dem Betroffenen ist nicht wirklich geholfen, ich wollte mich nicht einreihen, ihre Trinkgewohnheiten weiter zu unterstützen, Sorry! Ich empfahl, dass sie noch einmal mit ihrem Lehrer spricht, wenn es ihm reicht, dann können wir noch einmal darüber reden, letztendlich hat mich der Lecturer angerufen, am Ende waren wir uns einig, dass nicht der Weg der Unterstützung ist, denn sie braucht.

Meine erste Klientin heute kam mit ihrem Freund, das war nicht angemeldet, nun denn, dann eben beide, nachdem wir schon mehre Sitzungen zum Thema Angermanagement (Umgang mit eigenen Aggressionen) verbracht haben und heute alles Revue passieren lassen wollten, geriet mein Konzept am Anfang ins Schwanken, zum Glück bestätigte ihre Partner, dass sie sich wesentlich gebessert hat, was sie von sich selbst auch zufrieden berichtete, wenn da nicht noch was anderes wäre, nein, diese Zutaten nehmen wir jetzt nicht, das dann in einer neuen Sitzung, sie will jetzt auch Psychologie studieren, viel Glück

Ich beginne, meine Langzeitklienten nun auf einen Abschied vorzubereiten bzw. die letzten sechs Wochen die Sessions zu Ende zu bringen, oder sie an einen anderen Psychologen zu vermitteln. Wie es mir damit geht? Schlechter, als ich jemals erwartet hatte. Habe ich am Anfang doch sehr viel rum genörgelt, wollte mich in diese klinische Arbeit nicht einfinden, mag ich sie jetzt nicht mehr hergeben. Dennoch will ich nicht unfair sein, ich habe ja etliche Spielwiesen bekommen und mehr als erhoffte Erfahrungen machen können, als ich mir überhaupt vorstellen konnte.

Mein Unterbewusstsein ist mehr als unruhig, denn jetzt heisst es wieder auf die Straße zu gehen und zu werben. Ich bin müde und erschöpft, jetzt schon, wo es noch nicht wirklich angefangen hat. Und gespannt, was da Neues kommt und genervt, wieder von vorne anzufangen.

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