Saturday, January 6

Über die Einsamkeit

Es gelingt mir tatsächlich, den ganzen Tag zu Hause (hier in Perth) zu verbingen, ohne einmal vor die Tür gegangen zu sein. Wie warm ist es draußen?

Abends schlägt das schlechte Gewissen zu, den Tag "vergeudet" zu haben, nicht laufen gegangen zu sein, nicht wirklich etwas zu Stande gebracht zu haben. Morgen wird alles anders!

Der Tag beginnt in der Regel um 7.00, ein kurzes Frühstück und dann an den Rechner. Emails checken (wer hat geschrieben, hat überhaupt einer geschrieben?). Anschließend so dahin. Und dann weiter so dahin. Danach immer noch so dahin. Später warten. Bis das Garagentor geht und dass das so dahin abgelenkt wird. Endlich nicht mehr allein.

Das es möglich ist, in einem fremden Land und einer anderen Kultur zu leben, ohne auch nur ein Wort die Sprache des jeweiligen Landes zu sprechen ist so einfach. Glücklich macht es nicht. Das kann ich schon mal sagen. Und im beschriebenen Extrem betreibe ich dies auch nicht. Es gibt aber durchaus Tage ...

Wann hört es endlich auf zu dauern? Eine Postkarte, die bei mir an der Wand hängt und die ich nicht wirklich jeden Tag lesen will. Ich muss dann überlegen, was das "es" bedeutet. Das Leben, das temporäre Warten, das Alleinsein, Alles? Oder, wann kann ich mehr erzählen, wie Einsamkeit sich anfühlt, ohne dass der Zuhörer aus allen Wolken fällt und sich Sorgen macht. Von den Sorgen habe ich nichts. Sie rücken meine eigenen Gedanken nicht beiseite und öffnen Horizonte.

Neue Menschen kennen lernen, neue Kontakte halten, Fragen beantworten, das soziale neue Umfeld erforschen, sich selbst noch mehr spüren, ohne etwas damit anfangen zu können, nicht mehr täglich zum Bäcker gehen und Schwarzbrot kaufen, nicht mehr mal eben auf ein Bier verabreden, keine gemeinsamen Schnittpunkte mehr haben, um sich etwas erzählen zu können oder auszutauschen, auf Emails und Anrufe warten, auf Besuch warten, der gleich vorbei kommt, weil man Geburtstag hat, sich neu definieren, sich neu beruflich integrieren und lernen, wie und womit gearbeitet wird - all das Fehlen und noch viel viel mehr füttert die Einsamkeit stetig und macht mich mürbe, wenn ich nicht aufpasse.

Sich mit Menschen treffen, die ich niemals treffen würde, wenn ich dazu nicht gezwungen wäre, Dinge unternehmen, zu denen ich in Deutschland schon keine Lust hatte, darüber nachzudenken, meine Bilder auf Augenhöhe zu bekommen, weil ich sie nicht an die Wand nageln kann. Auch das gehört dazu.

Und dennoch sagen können, dass ich den Schritt und die bewusste Herbeiführung dieses Umbruchs noch nicht bereue. Das ist mein Lichtblick. Mal sehen, was ich in einem halben Jahr sagen werde.

Nach Hause (nach D.) zu kommen und wieder gehen zu müssen. Ich habe keine Vorstellung davon, ob mich dann ein ähnlich intensiver Abschied erwarten wird. Werde ich mich auf meine Rückkehr nach Perth freuen? Wann werde ich wieder kommen können, um meine Liebsten zu sehen?

Und wann werde ich wissen, wo mein Zuhause ist?

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