Monday, July 16

Zwischen "Eigentlich", Lagerfeuerstimmung und Abschied

Was mache ich, wenn die Zeit des Abschieds immer näher rückt und die Gedanken in diesen Fokus presst? Ich genieße die Zeit, die bleibt, egal wieviel es ist und weiß, dass die Zeit vergeht. Jeder Abschied bedeutet auch Freude auf das Wiedersehen. Mit jedem Kommen und Gehen wird es etwas leichter, dieses emotionale Geduldsspiel auf die Probe gestellt, zu bewältigen. Die Tränen werden unsichtbarer.

Ich bin gelandet im schönen Perth. Gestern Abend um 18.00 hat mich ein wunderbarer Sonnenuntergang mit atemberaubender Kulisse bei der Landung in Australien empfangen. Mal wieder war der Fotoapparat in der Tasche. Den Ärger darüber spüre ich nur kurz und dann konzentriere ich mich ganz auf das Erlebnis. Ein Gewinn für mich.

Ein vertrautes Gesicht strahlt mir entgegen, nachdem ich diesmal ohne Sicherheitscheck australischen Boden betreten durfte. Thomas erleichtert mir das Ankommen und vermittelt mir das Gefühl von Vertrautheit. Und in diesem Moment wird mir klar, welch Luxusleben ich führen darf.

Meine Geduld beginnt zu warten. Ich lerne, mit meiner Ungeduld zu arbeiten. Vielleicht kam es mir deshalb auch so vor, dass ich wesentlich länger in Deutschland war. Ich bin beeindruckt, wie ich mich selbst manipulieren kann. Und das meine ich in diesem Fall positiv.

Nachdem der Kurs in Berlin erfolgreich beendet ist, steht das Angebot für 2008 bereits wieder im Program. Ich darf hoffen, auch zukünftige Reisen mit etwas Arbeit unter der Berliner Luft zu verbinden.

Meine zunehmende australische Gelassenheit hat mir schon manchen Raum verschafft, den ich früher nie hatte. Ich genieße, bewusst in den Kontakt zu gehen, ihn zu bremsen oder auch ganz klare Grenzen zu setzen.

Die Momente des Zusammenseins mit meiner Familie habe ich bis in letzte Mark genossen und gekostet. Ich habe mich zurück gelehnt und lerne, ausgesprochen erwarten zu dürfen, dass sich andere Menschen bewegen müssen, die mich sehen möchten.

Ein "Lagerfeuer" beendet meinen ersten Tag in Deutschland, für den ich über 24 Stunden unterwegs war. Das Knistern des Holzes und die Spiele der Flammen machen es kuschlig und sorgen für Kaminstimmung. Den Wein in der Hand ist schnell das ein oder andere Wort ausgeplaudert und manche Frage wenig ausführlich beantwortet. Den Morgen danach erlebe ich nach einer traumhaften Nacht im Kreise meiner Liebsten. Ich fühle mich heimisch und vertraut mit den Dingen, die mich umgeben. Gedankliche Hektik kommt auf, wen wann zu welcher Zeit besuchen. Emotionale Gelassenheit tritt auf die Bremse und sorgt dafür, dass ich nicht gleich wieder los renne, um alle Bedürfnisse zu befriedigen. Mein Bedürfnis zu warten und mich wohl zu fühlen, ist mächtig und erspart mir ein schlechtes Gewissen. In die Geschichte ein- und wieder aussteigen, so wie ich es will und brauche, gefällt mir. Ich bin hier und für eine Weile nicht mehr dort. So schreibe ich mir selbst meine Geschichte.
Ich begegne meinen vertrautesten Personen, denen ich emotional genauso viel abverlange wie von mir selbst. Ich erwarte Geduld und Bewegung von Ihnen, in meiner Geschichte der Wichtigste Teil zu bleiben.

Thomas wartet tausende Kilometer weit weg auf meine Rückkehr, während Sister auch mal krank macht, um ganz nah bei mir zu sein. Ein Motor geht kaputt und verschafft mir schöne Stunden mit Carolin, die ich am allerwenigsten sehe, wenn ich da bin. Ich freue mich. Ihre Schwester geht auf ihre eigene Art mit dem um, was ich geben kann. Und tatsächlich können nur wenige Stunden reichen. Meine Eltern müssen ganz schön viel fahren und tun dies auch. Ich freue mich, wenn alle beisammen sind. Wenige, aber intensive Abende bzw. Unternehmungen bereichern meinen Aufenthalt.

Kühlungsborn zeigt Sonne, der Kaffe schmeckt köstlich, die Bratwurst auch. Barlach zeigt Gesicht und das Fahrrad fährt uns durch unsere Vergangeheit. Ein Brötchen am See lässt den Regen an uns abprallen. Wir genießen den Moment. Der Sportplatz weckt sportliche Erinnerungen. Tintenherz bringt mich in den Schlaf und in den Genuss, diese Geschichte zu Ende erzählt zu bekommen.

Oma genießt das Gespräch mit mir, ihr ist doch ganz schön langweilig mit ihren 94 Jahren. Die Kids haben endlich Ferien und tragen nun australische Badelatschen und Basecaps. Ihre Eltern planen ihren ersten Besuch bei uns im Hochsommer Australiens 2008. Wir sind gespannt!

Berliner Freunde nehmen sich Zeit, oder auch nicht. Damit lerne ich noch umzugehen. Eisis machen den Berliner Aufenthalt wie immer zu einem Erlebnis und zu einem tollen Kneipenabend in unserem alten Kiez. Mein Herz macht einen Sprung und mein Auge erblickt das Schönste Haus in der Rykestraße.

Teilnehmer des Kurses sind produktiv und nun "Konkurrenz". Ihre Rückmeldungen sind Zucker für meine professionelle Seele. Ich kann es noch.

Ein Berliner Stadtspaziergang eröffnet Horizonte und füllt erhebliche Wissenlücken.

Im Koffer stapeln sich die Kilos. Mit 30 fliege ich zurück.

Der Sommer kehrt in Deutschland ein, der Winter hält die Arme in Australien offen.

Im Büro den ersten Tag mit vielen guten Gesprächen verbracht und manch neue Anknüpfungspunkte aufdeckend.

"Eigentlich" begleitet mich immer, ob ich es ausspreche oder nicht. Der Konjunktiv hängt sich dran und lässt alles offen.


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