Saturday, June 9

Zwischendurch

Die Sonne scheint, das Herz ist vergnügt. Der Kopf ist frei, die Nase auch. Der Hals hat den Kloß verschluckt, die Körpertemperatur ist wieder auf irgendwo zwischen 36 und 37 Grad. Normalität.

Wir steuern mit raschen Zügen und Schritten dem Ende des Finanzjahres in Australien entgegen und damit auch Thomas erstem Jahr hier in Australien. Ich habe noch Zeit, denn meins ist erst am 5. November rum.

Ein Fazit gibt es noch nicht, sind ja noch ein paar Wochen. Thomas hat noch Zeit bis zu seinem ersten selbst geschriebenen Eintrag in diesen Blog.

Wenn ich mal lange Weile habe, surfe ich im Internet und lese das Horoskop. Was sagt die Astrologie zu unserem Lebensweg? Bei jedem Horoskop klingt es anders und ist doch gleich. Ein Jahreshoroskop bewegt sich zwischen Häusern, Graden und Assendenten. Ich gebe auf, einen Sinn darin zu verstehen. Und da ich mal wieder vergessen habe, wann ich genau geboren bin, bleibt mein Horoskop ein Buch mit sieben Siegeln.

Das Hier und Jetzt ist mit einem Augenschlag schon das Gestern und vergangen. Jedes noch so feine Netz ist so grob, um aufzufangen, was man halten will. Schreiben hilft, um Assoziationen anzustoßen und ein Stück Leben zurück zu bringen.

Australien, wer will da nicht mal hin? Landschaft, Zauber, Schönheit, Weite, Fläche, wenig Menschen, Ruhe, Schotterpisten, Sanddünen, Berge, Meer, Trockenheit, Unwetter, einzigartige Tiere, Camping – sorgenlos. Ein Urlaub im vermeintlichen Paradies. Nicht für alle – aber für viele Menschen. Ein Bekannter meines Vaters sagte mal, „was wollen die denn in so einem unterentwickelten Land“. Ein Stich in der Magengegend. Warum? Weiß ich noch nicht. So kurz zusammengefasst und wenig reflektiert mag ich es nicht mehr. Zu oberflächlich, wie dieses Land und alle anderen auch.

Denken, Streiten, Lieben, Lachen, Lernen, Spüren – das geschieht allen auf der Welt. Mehr, weniger, intensiv, oberflächlich oder tief. Ich komme immer mehr dazu, Bilder gerade zu rücken. Was ist hier anders, was ist dort anders, wo ist es besser? Immer da, wo man sich rund um wohl fühlt. Was „Wohlgefühl“ bedeutet definiert jeder für sich selbst. Ich brauche dafür keinen Duden aufzuschlagen.

Abgeschnitten von der Welt, ja das Gefühl ist da, wenn ich darüber nachdenke. Denke ich nicht darüber nach, fühle ich mich auch nicht so. Uninformiert über die Welt erkenne ich, wenn ich mal wieder die Tagesschau im Internet ansehe. Die Welt zuerst und dann Deutschland. Hier ist es umgekehrt: zuerst Westaustralien, dann ein wenig Australien, dann noch weniger Welt. Ein introvertiertes Land, fokussiert auf sich selbst. Macht das die Entfernung? Eine Power, die wir nicht kennen und eine Schwäche, die wir nicht dulden. Der Kreis hat keinen Ausgang und doch gibt es einen Anfang. Meine Denke beginnt häufig am Start und denkt und denkt, fragt sich wo das Ende ist. Fragt sich, wie ich dahin komme, erkennt die vielen Hürden und Hindernisse und entscheidet sich stehen zu bleiben. Doch stehen bleibt niemand, ob man das will oder nicht. Quantitativ legen wir unendliche Denkkilometer zurück und schlucken so viel davon, dass wir eigentlich kugelrund sein müssten.

Mut und Kühnheit sind wenigen Menschen ein vordergründiges Charaktermerkmal, dass sie auch an Qualität denken lässt. Naivität lockt jeden und schwappt das kalte Wasser gnadenlos über. Wenn es warm ist, dann habe ich es geschafft. Wenn es zu heiß wird, denke ich schon, wie ich wieder an Kaltes heran komme.

An der Kasse im realen Leben bezahle ich für alles, was ich kaufe. Ich muss warten und kann überlegen. Je nachdem wie schnell der Kassierer ist, habe ich Zeit, das ein oder andere wieder aus dem Korb zu legen, oder sogar alles zurück zu bringen. Zuhause packe ich meine Wundertüten aus, freue oder ärgere ich mich. Komme ich ohne volle Taschen nach Hause, tue ich das gleiche. Selten bin ich mit jedem Inhalt zufrieden, den ich selbst gewählt habe. Kommt eine zweite Person dazu, wird alles noch schwerer und das Spiel des Lebens beginnt, sich zu verstricken. Eine Masche aufnehmen, eine fallen lassen. Das einfachste aller Muster. Sollen es andere werden, zwei zurück, eine vorwärts dann muss ich meinen Kopf ganz schön anstrengen. Pausen hole ich mir, wenn es nicht das gewollte Muster ergibt. Freude erlebe ich, wenn es dann fertig ist. Erstaunt bin ich, wenn es anders aussieht als geplant. Ob ich es dann trage, entscheide ich selbst. Ich kann es auch verschenken, doch wem will ich das schon zumuten. Ich rapple also wieder auf und beginne von vorne oder in der Mitte. Kaufe neue Farbe, neuen Faden und denke wieder.

Wie oft ich in der Lage bin, mich an die Kasse zu stellen, hängt von meinem Geldbeutel ab, wie oft ich wieder beginne, ein neues Muster zu stricken, von meiner Geduld und Kraft. Meilen vom Ende entfernt.

Und so dreht sich das Rad mal mit mehr Wasser oder eben weniger. Eigentlich ist tatsächlich egal, wo man ist, wenn das Wohlgefühl zufrieden macht. Ob ich zufrieden bin, bestimmt mein Anspruch. Ob ich sie will bestimmt mein Antrieb. Ob ich sie ertragen kann, mein Gefühl. Und schon bin ich wieder am Anfang.

Regnet es bin ich sauer, auch wenn ich mich noch vor ein Tagen über Hitze beschwerte. Ist es zu heiß, sehne ich mich nach einer Briese. Ist die Briese zu stark, wundere ich mich, wo es her kommt und will es wieder anders. Ist es dann wieder anders, passt es auch nicht. Hier in Australien sind sorgenfreie Gedanken nach außen auf der Agenda. Wenn ich will, kann ich so dahin leben, muss mir tatsächlich keine Sorge um mein Nebenan machen. Ich muss nicht so viel denken, wenn ich beginne, zu stricken. Es wird mir schon was einfallen, wenn eine Masche runter gefallen ist. Ich darf meine Badelatschen mit ins Bett nehmen, wenn ich morgens gleich wieder ans Meer will.

Zwischendurch schwimme ich in meinen Träumen. Am Tag danach sind sie wieder vergessen.

No comments: