Saturday, November 19

Berufliche Karriere auf dem Höhepunkt

Wer mir vor 5 Jahren gesagt hätte, dass ich mal Klinische Managerin des größten australischen psychologischen Dienstes an einer Universität arbeiten wurde, dem hätte ich wohl mit großen Augen angesehen und im Leben nicht daran geglaubt, dass das tatsächlich so sein würde.

Heute sitze ich hier und habe dieses Jahr in dieser verantwortungsvollen, herausfordernden, stressigen und vielfältigen Rolle beinahe geschafft. Nur noch ein paar Wochen und dann wird diese Erfahrung zu einem meiner wichtigsten beruflichen Etappen gehören. Im nächsten Jahr kann ich mich dann wieder etwas ausruhen, und mich voll und ganz der Therapie sowie meiner eigenen privaten Praxis widmen.

Jetzt erst einmal ein kleiner Rückblick auf dieses Jahr. Nach dem Tod meines Vaters und meinem langen Aufenthalt in Deutschland im letzten Jahr war ich unglaublich erschöpft, traurig über den schmerzlichen Verlust und mich schuldig fühlend, dass ich so wenig Zeit mit meinen Eltern in den letzten Jahren verbracht hatte, zurück nach Perth gekommen. Diese intensiven neun Wochen in Deutschland hatten ihre Spuren hinterlassen. Graue Haare unter anderem.

Da sind noch weitere dazu gekommen, alle schön über dieses Jahr verteilt und es half nichts, da musste wieder Farbe rüber.

Zu Beginn dieses Jahres hatten wir es gleich mit mehreren Selbstmorden zu tun, bei denen unser Service für die Kriseninterventionen zuständig war. Vom Management bis hin zu den ganz schweren Aufgaben, Mitarbeiter und Angehörigen Betreuung waren dabei an ganz oberer Stelle. So begann mein Jahr in meiner neuen Position und so ging es eine ganze Weile weiter; keine Zeit zum Eingewöhnen. Ständig passierte etwas, manchmal konnten wir noch rechtzeitig intervenieren, bevor Situationen noch mehr eskalierten.

Beispielsweise eine psychotische Studentin, die ihre Fakultät in Atmen hielt, und die laut auf den Fluren ihre sexuellen Dienste anbot. Die Security hatte sie dann zu mir gebracht, aber sie wollte mir partout nicht glauben, dass ich Psychologin bin, fragte ständig nach meinem Ausweis, sagte uns ihren Namen nicht und hatte einen bleibenden Eindruck in unserem Warteraum hinterlassen. Am Ende konnte ich sie nur noch in die Klinik bringen.

Oder ein paranoider Student, verwahrlost aussehend, und sein ganzes Hab und Gut im Bibliothekskaffee auf den Tisch ausbreitend, Mülleimer durchwühlend, wollte sich von der Security nicht zu unserem Service bringen lassen. Also musste ich hingehen und sehen, ob ich ihn überzeugen konnte, mit mir zu kommen. Ein Schauspiel war das für all drum herum sitzenden Studenten, die wohl am Morgen dieses Tages nicht ahnten, welche Performance ihnen noch kostenlos geboten werden sollte. Unter seinen Utensilien hatte dann die Security auch ein Messer gefunden. Gott sei dank, denn sie haben es gleich sicher gestellt. Vor meinem Büro haben sie dann gewartet. Ein Gespräch mit seinem Psychiater führte dann zu einer schnellen Übergabe an den Kollegen. Seit dem war dieser Student nicht mehr gesehen an der Uni.

Eine andere Studentin, die in der Regel in ihrem Auto schläft und regelmaessig ihre aggressiven Wutausbrüche an Anderen auslebte, sorgte für Angst und Schrecken das ganze Jahr über. Ein dritter Klinikaufenthalt mit Hilfe der Polizei, und nach ihrer Drohung vom Dach eines Gebäudes zu springen, schien dann zu helfen, um ihre Emotionen besser zu regulieren. Alles natürlich nur mit Medikamenten. Sie hat uns einiges an Nerven geraubt. Und so gab es einige ähnliche intensive Fälle das ganze Jahr über verteilt. Am Ende lag die Entscheidung immer bei mir, und so manches Mal bin ich mit einem mulmigen Gefühl nach Hause, zweifelnd, ob eine Entscheidung gegen die Klinik die richtige war.

Zu Beginn des Jahres hatten wir dann auch gleich 5 neue Kollegen und 4 Psychologiestudenten in das Team aufgenommen. Eine Herausforderung auf einer ganz anderen Ebene. Unser Team war zu dieser Zeit ziemlich gesplittet, es gab einiges an unterschwelligen Konflikten, die im Rahmen einer großen Mitarbeiterbefragung zu Lichte traten und gelöst werden mussten. Auch das Feedback an das vorherige Management Team war ziemlich schlecht ausgefallen. Da haben mir meine Kenntnisse in Konfliktmanagement und Mediation sehr gut geholfen. Aber auch das hat so manches farbiges Haar gekostet. Der Aufwand und der Verlust von Haarfarbe hatte sich gelohnt!

Was noch so passierte bzw. adressiert werden musste: Strukturveränderungen in unserem Emergency System, 4 – 6 Wochen Wartezeiten auf einen Termin bei uns, Strategieplannung für die kommenden Jahre, Personalplanung, Mitarbeitergespräche, Therapie, Trainings und Fortbildungen usw. Will ich gar nicht weiter im Detail ausführen.

Und im Oktober erfuhren wir dann, dass unser Service für einen ganz besonderen und auch mit Geld dotierten Preis nominiert wurde. Ach, was für eine Freude. Gestern nun war der Tag der Entscheidung. Natürlich waren wir auch alle auf das Video gespannt, dass im Oktober für den Fall der Fälle gedreht wurde und für ne Menge Spaß sorgte. Die Spannung stieg und dann kamen die entscheidenden Worte , The Award Goes to Counselling Services’.

Ich muss wohl nicht betonen, wie stolz ich bin, Teil dieses Teams und Services zu sein. Nach einem Jahr wie diesem, und in meiner Rolle als Klinische Managerin, ist dieser AWARD (Preis) das I-Tüpfelchen meiner Karriere. Das ist ohne Zweifel. Die Sektkorken sind geknallt und wir allen sind voller Freude.

Es geht ein berufliches Jahr zu Ende, von dem ich im Leben nicht gedacht hätte, dass es so erfolgreich werden würde. Was kann da noch kommen? Ich fühle mich bestätigt und erfüllt. Ein wunderbares Gefühl.

No comments: