Sunday, April 13

Entwicklungshilfe

Was in den letzten Wochen passiert ist, ist nicht mehr wirklich so spektakulär, um hier fest gehalten zu werden. Der Blog hat sich mehr in ein Tagebuch verwandelt, das etwas von unserem Alltag preisgibt. Ich hadere mit mir, ihn abzuschalten. Es ist die Zeit, die ich mir nicht mehr nehme, um regelmäßig aufzuschreiben, was so los ist in down under. Dennoch hält mich eine innere Sucht, weiter zu machen, weil ich selbst davon profitiere. Ich würde mein Erlebtes in keiner anderen Form mehr festhalten. Ich bin zu gewöhnt daran und freue mich, wenn ich in meinem Blog blättere und nachlesen kann, was denn vor einem Jahr gewesen ist.

Manchmal verspüre ich Lust, ein Buch zu schreiben mit allen Wunderlichkeiten Australiens, über die Kommunikationskultur untereinander hier, um die Lücke der Verantwortung, über den geringen Selbstwert, über das Prollverhalten, über Stillosigkeit, über schlechten Service, über die „Unendlichkeit“, über Kontrolle, und und.

Mein Tag ist gefüllt. Weiter mit so unterschiedlichen Klienten, weiter mit diversen unterschiedlichen Workshops und Vorträgen. Voll mit einigen Klienten, die regelmäßig einmal wöchentlich oder vierzehntägig kommen. Und nun endlich auch mit einigen Zeitblockern, die ich mir nehme, um Mediationen vorzubereiten bzw. Termine dafür anbieten zu können.

Ich habe gerade zwei Mediationsfälle zu begleiten. An der Rezeption ist es keine Frage mehr, wer das bei unserem Service macht, wenn Anfragen diesbezüglich rein kommen. Sie werden alle gleich an mich weiter geleitet. So bekomme ich mehr und mehr tiefe Einblicke in eine ungesunde Umgangskultur, die größtenteils nur Lösungen anbietet, die ein entweder oder beinhalten. Schwarz oder weiß. Halt durch oder geh. Viele Mitarbeiter sind überfordert und überwältigt von einer Hierarchie, die wenig Spielraum zulässt. Es ist ein durchgestyltes Mikromanagement, dass keinen Raum für Flexibilität anbietet sowie auch keinen Raum für Eigenverantwortung schafft. Und so halten sie tagtäglich durch, jeder auf seinem Posten, jeder in seiner Position, jeder in seiner Hierarchie. Die Aufteilung in akademisches und nicht akademisches Personal reizt meines Erachtens das Misstrauen bis aufs Äußerste.

Zwischen einem Team und einer Direktorin gibt es seit 6 Monaten einen Konflikt, der zu Beginn von Missverständnissen genährt war und nun zu einem aufgeblasenen stark eskalierten Grad zutage tritt. Tränen, Verletztheiten, Sprachlosigkeiten und Erwartungen. Misstrauen und Bandelaien wollen jeden Tag genährt werden. Die Business Managerin dieser Fakultät sucht Kontakt zu mir und erzählt von dieser festgefahrenen Situation. Sie sieht den Eskalationsmechanismus, sie trifft jeden Beteiligten und weiß, dass es nur noch ungesund ist. Sie ist relativ neu an der Fakultät und will, dass da was gemacht wird, um Mitarbeiter zu halten. Ich empfehle, dass sie den Kollegen dort anbieten kann, mit mir in Kontakt zu treten. Mittlerweile habe ich alle Beteiligten einzeln gesprochen und ein gutes Bild von dem, was da vor sich geht. Ohne eine dritte unparteiische Person gibt es tatsächlich nur noch ein entweder aushalten, krank werden oder kündigen. Der Konflikt spielt zwischen Hierarchien, was es schwerer macht, den beteiligten Personen schwer macht, Vertrauen in eine Mediation zu legen. Mein Angebot, das ich zur Vorgehensweise angeboten habe (führe ich hier nicht an) hat für mächtige Unruhe gesorgt. Angst beherrscht die Schlüsselpersonen, die sich nicht alleine in der Mediation begegnen wollen. Ein zusätzliches Krisengespräch mit einer Beteiligten und sechs Telefonaten mit ihr und der Direktorin sowie Emails etc. führten am Ende dazu, dass sie erstmal zusammen zu mir kommen. Es war Schwerstarbeit und ich habe das Gefühl, dass das erst der Anfang ist.

In einem anderen Konflikt handelt es sich um zwei Kolleginnen, die auf gleicher Ebene arbeiten, also ohne Hierarchien. Auch diese Beiden habe ich zunächst einzeln getroffen. Sie haben beide zur Mediation zugestimmt, ohne dass ich große Überzeugung leisten musste. Eine kleine Anekdote aus dem Konfliktpotenzial: Die eine Kollegin hält zu jeder Mittagszeit einen ein Stundenschlaf unter ihrem Schreibtisch. Eingekuschelt in ihre Decke erwartet sie Ruhe drum herum. Somit muss die Andere ruhig sein, den Raum verlassen oder still sein. Als ich das hörte, wusste ich nicht, ob ich entsetzt war oder einfach nur lachen wollte. Leider ist das nur ein kleiner Teil des großen Konflikts. Schade, es wäre zu einfach gewesen, hierzu eine Lösung zu verhandeln.

Ein Freund traf es auf den Punkt, als wir uns über dieses und andere Ansichten zum Thema Konfliktkultur etc. unterhielten. Wie sagte er so schön? "... na dann leistest Du ja Entwicklungshilfe." Zum Glück werde ich wenigstens dafür bezahlt.



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