Friday, February 22

Touch wood

Wochenende - Es ist Freitag Abend, bereits dunkel hier in Perth, der Wind nimmt sich zur Nacht immer mehr auf und sorgt dafür, dass wir beim Schlaf vom Rütteln der Türen gestört werden. 15 Grad am morgen, die es noch bis ca. 30 Grad am Tag schaffen. Wohl nicht mehr lange und wir können die Kerzen anzünden.

Eine Woche Arbeitsalltag weg gesteckt, als ob es nichts wäre und doch so müde am Ende dieser Tage, so kurz vor dem Wochenende. Gerade haben wir mit der Heimat geskypt und fest gestellt, dass wir vor einer Woche noch Thomas' Bruder und Familie bei uns hatten. Es kommt mir vor, als ob das schon viel länger her ist.

Mein Terminkalender an der Uni füllt sich und sorgt dafür, dass mir keine Langeweile aufkommt. Interessante Fälle tun sich auf und fordern mich, in Welten einzutauchen, von denen ich vorher noch nie etwas gehört habe.

Klientin, aus Afghanistan stammend, 36 Jahre alt, an der Uni studierend, heiratete im letzten Jahr. Noch nie im ihrem Leben zuvor sexuellen Kontakt gehabt, wird sie förmlich in die Welt der Sexualität zwischen zwei Liebenden gestoßen. Sie hat keine Vorstellung wie das ist, hört nur von anderen, dass es beim ersten Mal weh tut. Sie steigert sich hinein und hat in 10 Monaten Ehe 10x mit ihrem Mann geschlafen. Es tut weh, wenn sie es tut. Und es ist mittlerweile klar, dass die Psyche ihr einen Streich spielt, dessen Ausgang nicht absehbar ist. Sie hat einen Vaginismus. Du meine Güte, ich lerne nie aus. Interessant, wie sie gestern beschrieb, was sie denkt. Ihr Mann hat ihr Leben gestört, ihre Unizeit zur Unendichkeit forciert. Sie bedauert geheiratet zu haben und nimmt nun an, bei weiterer Interpretation des Schmerzes, den sie tatsächlich hat, ihn bestrafen zu wollen. Sich selbst auch, aber so weit ist sie noch nicht. Und eine nicht gerade Unbekannte spielt eine Rolle dabei. Die Kontrolle ... Nachdem ich also den physischen Prozess erklären musste, natürlich erst nach vielen Gesprächen mit Kollegen etc., beginnt die eigentliche Knochenarbeit. Aufbrechen, was sich weigert, loszulassen oder zu akzeptieren, dass ihr Weg ein anderer ist.

Vor vielen Jahren drogensüchtig, den Absprung geschafft, treffe ich auf eine junge Klientin, deren Mutter schizophren ist. Nach zuspitzendem Verhalten der Mutter, irrationalem Verhalten und Äußern der verwirrten Gedanken bis hin zum täglich nächtlichen Möbelrücken, weist die Tochter (meine Klientin) in die Geschlossene ein. Nun ist sie zum einen voller schlechtem Gewissen, steht unter Druck, weil die ganze Familie incl. Stiefvater sie mit Fragen und Anforderungen belasten und macht sich Sorgen, selbst so etwas mal zu bekommen. Wie kann sie damit umgehen?

Eine 38 jährige Psychologistudentin, Mutter eines einjährigen Mädchens, lebend mit ihrem Partner und als Graphikdesignerin arbeitend, ist willens, das zu ändern. Wo sind die Lücken? Aus einfachen banalen Oberflächkeiten, die schnell lösbar sind, tut sich plötzlich eine Vergangenheit und Gegenwart auf, die Ursache ihres Befindens ist. Es geht nicht um Zeitmanagement, es geht um Anerkennung, Grenzsetzung, Wettkampf und Konkurrenz in der Familie. Das hat nichts mehr mit einfachen verhaltenstherapeutischen Maßnahmen zu tun.

Eine Klientin, von der ich bereits berichtet habe, kam wieder und ist voller Hoffnung, dass nun mit ihrem Partner alles anders wird. Sie hat sich wieder an der Uni eingeschrieben und weiß noch gar nicht, was da alles auf sie zukommt. Ich unterstützte sie darin, den Moment zu genießen und erarbeite mit ihr, wie sie für sich selbst sorgen kann.

Eine Unimitarbeiterin, die mit ihrer neuen Chefin immer mehr ins Straucheln gerät, reflektiert, dass sie Auseinandersetzungen vermeidet und fühlt sich zunehmend belasted. Sie ist fleißig in der Therapie und so voller Willen, ihre Ressourcen zu entdecken.

Die Managerin, die zur Vormediation bei mir war, hat ihre Teilnahme an der Mediation abgesagt. Sie will keine Schwäche zeigen und sieht es sowieso nicht als eine ihrer Aufgaben an, mitarbeiterorientiert zu leiten. Schade.

Die Konfliktbeauftragte der Uni, eine Rechtsanwältin, holt mich ins Boot, um diese vielen Manager und Professoren zu schulen, wie man mit Konflikten umgeht. Auf einmal tut sich ein Megaprojekt auf, worüber ich mich freue. Mein Chef gab mir eine High five (gib mir fünf auf die Hand), als er hörte, was schon auf den Weg gebracht wurde. Ich habe grünes Licht, Zeit zu investieren. Juhu, so habe ich auch durchgesetzt, monatliche Konfliktberatungen für diese Manager durchzuführen. Ein Ausgleich dafür, dass ich meine Kurse in Berlin für dieses Jahr absagen musste.

No comments: